Rz. 218

Mit einer Patientenverfügung legt der volljährige Verfügende fest, ob er in bestimmte Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe, die nicht unmittelbar bevorstehen, sondern möglicherweise zukünftig anstehen werden, einwilligt oder diese untersagt. Die Patientenverfügung gilt unabhängig von der Art der Krankheit und dem Stadium der Erkrankung (§ 1827 Abs. 3 BGB).[287]

Für aktuell anstehende medizinische Maßnahmen ist § 630d BGB einschlägig. Der Patient oder der berechtigte Vertreter muss in die medizinische Maßnahme einwilligen. Letzterer wäre jedoch an den geäußerten Willen in einer Patientenverfügung gebunden und darf nur insoweit entscheiden, soweit die Patientenverfügung gem. § 1827 Abs. 1 S. 1 BGB die Maßnahme gestattet oder untersagt.

Bei weniger detailliert bestimmten ärztlichen Maßnahmen kann im Einzelfall durch Bezugnahme auf die ausreichend beschriebenen Krankheiten und bestimmten Behandlungssituationen eine Konkretisierung der vorliegenden Patientenverfügung erfolgen. Die Auslegung erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen, der außerhalb der Urkunde ermittelte Wille muss zumindest unvollkommen oder andeutungsweise in der Urkunde seinen Ausdruck gefunden haben.[288] Eine ausreichende Bestimmtheit einer Patientenverfügung ist nur gegeben, wenn festzustellen ist, welche ärztliche Maßnahme in welcher Behandlungssituation durchzuführen oder zu unterlassen ist, wobei die Anforderung nicht überspannt werden dürfen, eine umschreibende Festlegung reicht aus (Andeutungstheorie). Sich lediglich zu wünschen, würdevoll zu sterben, wenn kein Therapieerfolg mehr zu erwarten sei, oder keine lebenserhaltenden Maßnahmen durchzuführen, reicht jedoch nicht aus.[289] Medizinische Fachtermini oder eine Detailgenauigkeit sind nicht gefordert, die auf die Zukunft gerichtete Patientenverfügung benötigt einen gewissen Grad an allgemeiner und abstrakter Formulierung.[290]

 

Rz. 219

Der Verfügende muss bei Abfassung der Patientenverfügung nach § 1827 Abs. 1 BGB (§ 1901a Abs. 1 BGB a.F.) einwilligungsfähig gewesen sein; Geschäftsfähigkeit ist nicht erforderlich.[291] Er muss also über die geistige und sittliche Reife verfügt haben, sein Selbstbestimmungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten eigenverantwortlich auszuüben.

Entscheidend ist dabei, ob der Patient um Art und Schwere seiner möglichen Erkrankung weiß und ob er das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite des ärztlichen Eingriffs bzw. der Behandlung ebenso zu erkennen vermag[292] wie die Folgen einer Verweigerung medizinisch indizierter Maßnahmen bzw. eines Behandlungsabbruchs.

Auch bei Vorliegen eines demenziellen Syndroms kann nicht ohne weitere Vorprüfung von einer Einwilligungsunfähigkeit ausgegangen werden. Der Patient ist von dem Arzt aufzuklären, der sich sodann anhand des Gesprächs ein Urteil über das Vorliegen der Einwilligungsfähigkeit bilden muss. Diese könnte nicht gegeben sein, wenn der Patient die im Aufklärungsgespräch vermittelten Informationen trotz angemessener Assistenz, mithin Verwendung von leichter Sprache oder Begleitung durch Angehörige oder Patientenvertreter, nicht verstehen kann, die Informationen nicht verarbeiten sowie eine darauf basierende Entscheidung treffen kann oder er aufgrund seines Krankheitsbildes nicht versteht, dass er erkrankt ist und behandelt werden muss. Bestehen Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit, so hat der Arzt einen Vorsorgebevollmächtigen, u.U. den Ehegatten oder einen Betreuer mit einzubeziehen.[293]

 

Rz. 220

Keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist die Angabe von Ort und Zeit der Errichtung einer Patientenverfügung. Ebenso wenig ist eine Aktualisierung bzw. Bestätigung nach Ablauf einiger Zeit vorgeschrieben. Beides ist jedoch im Hinblick auf die nach § 1827 Abs. 1 S. 1 BGB (§ 1901a Abs. 1 S. 1 BGB a.F.) zu treffende Feststellung, ob die Regelungen in der Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Patienten zutreffen, sinnvoll und zu empfehlen. Sofern sich die Lebenssituation des Verfügenden wesentlich verändert, etwa nach einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung, sollte die Patientenverfügung unbedingt überprüft und ergänzt bzw. bestätigt werden.

[287] BGH FamRZ 2014, 1909, 1911 f.; Boemke, NJW 2015, 378, 380.
[288] Leitsatz BGH, Beschl. v. 14.11.2018 – XII ZB 207/18, abgedr. ZErb 2019, 38; ErbR 2010, 158; NJW 2019, 600.
[289] Schiffer, ZErb 2019, 93, 93 f.; Düll/Kreienberg, ErbR 2020, 823, 824.
[290] Düll/Kreienberg, ErbR 2020, 823, 824.
[291] Grüneberg/Götz, § 1827 Rn 4; BVerfG FamRZ 2021, 1564, 74.
[292] Grüneberg/Götz, § 1827 Rn 4.
[293] Hinweise und Empfehlungen der Bundesärztekammer zu Patientenverfügungen und andere vorsorglichen Willensbekundungen bei Patienten mit Demenzerkrankung, abgedr. in BtPrax 2018, 143, 145.

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