Rz. 30

Bestehen Zweifel an der Wirksamkeit einer Vollmacht, hat das Betreuungsgericht im Wege der Amtsermittlung nach § 26 FamFG weitere Feststellungen zu treffen, um die Zweifel möglichst auszuräumen. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH genügt ein bloßer Verdacht nicht, um die Vermutung der Wirksamkeit einer vorliegenden Vollmachtsurkunde zu erschüttern. Kann die Unwirksamkeit einer Vollmacht nicht positiv festgestellt werden, verbleibt es grundsätzlich bei einer wirksamen Bevollmächtigung.[52] Ist jedoch im Einzelfall die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr eingeschränkt, etwa weil Dritte die Vollmacht unter Verweis auf diese Bedenken zurückgewiesen haben oder dies konkret zu besorgen ist, kann die Anordnung einer Betreuung erforderlich sein.[53]

Müssen Eilmaßnahmen getroffen werden, genügen aber bereits konkrete Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht.[54]

 

Rz. 31

 

Beispiel

Die Betroffene hat zunächst ihrem Sohn eine notariell beurkundete, dann ihrer Tochter eine notariell beglaubigte Vorsorgevollmacht in Form einer Generalvollmacht erteilt. Sodann widerrief sie die dem Sohn erteilte Vollmacht und bestätigte die der Tochter erteilte Vollmacht. Die Betroffene litt an einem dementiellen Syndrom. Der Sohn regte eine Betreuung an. Dies wurde vom Amts- und Landgericht abgelehnt.

Liegen mehrere, verschiedenen Personen erteilte Vollmachten vor, ist aber zweifelhaft, welche davon wirksam ist, so ist diese Frage im Verfahren über die Anordnung einer Betreuung aufzuklären.[55] Ein bereits eingeleitetes Verfahren darf nicht eingestellt werden, ohne dass zuvor geklärt ist, wer von den in Frage kommenden Bevollmächtigten vertretungsbefugt ist. Andernfalls bliebe diese Frage zu Lasten des Betroffenen, dessen Wünsche oder mutmaßlichen Willen, (früher des Wohls des Betroffenen) offen, welches im Betreuungsrecht die oberste Richtschnur für das Handeln aller Beteiligten und damit auch des Betreuungsgerichts ist.

[52] BGH NJW-RR 2017, 1281; NJW-RR 2017, 66; NJW 2016, 1514; NJW 2016, 2745; NJW 2019, 237, 238; ErbR 2021, 846, 847; FamRZ 2022, 1556, 1557; NJW 2023 365; FamRZ 2023, 228.
[53] BGH NJW-RR 2017, 1281; NJW 2016, 1514.
[54] BayObLG OLGReport 2004, 435 f.
[55] BayObLG DNotI-Report 2003, 198 f.; OLG München MittBayNot 2009, 382.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge