Rz. 75

Da der Erblasser aufgrund seiner Testierfreiheit die Möglichkeit hat, alle seine nächsten Angehörigen zu enterben (§ 1938 BGB), sieht das Gesetz vor dem Hintergrund der Erbrechtsgarantie des Art. 14 GG in § 2303 BGB für diesen Personenkreis ein Pflichtteilsrecht vor.[55] Der Aufnahme eines solchen Pflichtteilsrechts lag letztlich der Gedanke zugrunde, dass dem Erblasser eine über seinen Tod hinausgehende Sorgfaltspflicht gegenüber dem genannten Personenkreis zukommt.

Damit der Erblasser das Pflichtteilsrecht zu Lebzeiten nicht umgehen kann, steht dem Pflichtteilsberechtigten ein so genannter Pflichtteilsergänzungsanspruch zu, wenn der Erblasser zu Lebzeiten (innerhalb von zehn Jahren vor seinem Tod) Schenkungen vorgenommen hat (§§ 2325 ff. BGB), wobei es nach der Neuregelung zum Erb und Verjährungsrecht seit dem 1.1.2010 zu einer Abschmelzung von 10 % pro Jahr kommt.[56]

Einen weiteren Schutz des Pflichtteils bieten die Vorschriften über Anrechnung und Ausgleichung nach §§ 2315, 2316 BGB, wenn Erbe oder Pflichtteilsberechtigter bereits einen anrechnungspflichtigen Vorempfang erhalten haben. Für den Fall, dass der Pflichtteilsberechtigte einen zu geringen Erbteil (oder Vermächtnis) erhalten hat, gewähren ihm die Vorschriften der §§ 23052308 BGB zusätzliche Rechte.

Von zentraler Bedeutung für die Testamentsgestaltung sind nach der Reform des Erb- und Verjährungsrechtes die neu geregelten Pflichtteilsentziehungstatbestände der §§ 2333 ff. BGB (vgl. hierzu § 13 Rdn 1 ff.).

[55] Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des Pflichtteilsrechtes BVerfGE 112, 332; ZErb 2005, 169.
[56] Vgl. Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittlerz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 158 ff.

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