Rz. 90

Der BGH[64] hat bis 2012 die Auffassung vertreten, dass Voraussetzung für den Pflichtteilergänzungsanspruch der Umstand war, dass die Pflichtteilsberechtigung sowohl im Zeitpunkt des Erbfalls als auch zum Zeitpunkt der Schenkung bestanden hat (Theorie der Doppelberechtigung).

 

Rz. 91

Diese Rechtsprechung hat der BGH mit seiner Entscheidung vom 23.5.2012 (Az. IV ZR 250/11) aufgegeben.[65]

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB setzt nicht mehr voraus, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestanden hat (Abkehr von den Senatsurteilen vom 21.6.1972 und vom 25.6.1997).

Für den Pflichtteilsergänzungsanspruch kommt es alleine auf die Pflichtteilsberechtigung im Zeitpunkt des Erbfalls an.[66] Er begründet dies u.a. damit, dass dem Wortlaut des § 2325 Abs. 1 BGB nicht zu entnehmen sei, dass es für die Pflichtteilsberechtigung auch auf den Zeitpunkt der Schenkung ankomme. Ferner stellt er auf Sinn und Zweck des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ab. Er führt hierzu aus, dass Grundgedanke des Pflichtteilsrechts die Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers sei. Um eine Verkürzung dieses Anspruchs zu verhindern, hat der Gesetzgeber den Pflichtteilsanspruch hinsichtlich des konkret beim Erbfall vorhandenen Nachlasses um den Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen erfolgter Schenkungen gegen den Erben bzw. den Beschenkten nach §§ 2325, 2329 BGB ergänzt. Hierfür ist es unerheblich, ob der im Erbfall Pflichtteilsberechtigte schon im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt war oder nicht.

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