Rz. 1

Das Verteidigungsverhältnis wird durch einen zivilrechtlichen Vertrag begründet. Eine Vollmachtsurkunde als schriftlicher Nachweis für diese Beauftragung ist nicht vorgeschrieben (BayObLG VRS 61, 39; OLG Karlsruhe AnwBl 1982, 167; LG Ellwangen NStZ 2003, 331; OLG Bamberg zfs 2007, 232). Meldet sich ein Rechtsanwalt als Verteidiger, spricht eine Vermutung für seine Bevollmächtigung (LG Hagen StV 1983, 145; BGH NStZ-RR 1998, 18; BVerfG AnwBl 2012, 280). Er darf dann nicht unter Hinweis auf die fehlende schriftliche Vollmacht zurückgewiesen werden (BayObLG AnwBl 1981, 18). Bereits der Hinweis, er könne ohne schriftliche Vollmacht nicht auftreten, ist ein konkludenter Beschluss i.S.d. § 338 Nr. 8 StPO bzw. § 79 Nr. 3 OWiG (OLG Hamm zfs 1981, 191; BayObLG DAR 1981, 63).

 

Rz. 2

Hat das Gericht Zweifel, darf es nicht untätig bleiben, sondern muss ggf. die Vollmacht anfordern (OLG Hamm VRS 68, 49). Die Vorlage einer Vollmachtsablichtung bzw. einer Telefaxkopie reicht aus (BayObLG DAR 1983, 252; OLG Köln NZV 2004, 595; OLG Düsseldorf zfs 2004, 42).

 

Rz. 3

Die von einem Verteidiger vorgenommenen Handlungen sind unabhängig von der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht wirksam, alleine die (nicht formbedürftige) Mandatserteilung zählt (RGSt 66, 266). So ist z.B. der vom Verteidiger rechtzeitig eingelegte Einspruch auch dann wirksam, wenn dieser erst nach Ablauf der Einspruchsfrist seine Bevollmächtigung nachweist (OLG Düsseldorf bei Göhler, NStZ 1982, 11). Das gilt auch für den Fall einer Unterbevollmächtigung (OLG Düsseldorf StraFo 1998, 227).

 

Rz. 4

Anders ist dies in Fällen von Beschränkung, Rücknahme oder Verzicht auf Rechtsmittel, denn diese können nur von einem Verteidiger erklärt werden, der seine ausdrückliche Ermächtigung dafür nachgewiesen hat. Hierfür genügt noch nicht einmal eine per Formular allgemein erteilte Vollmacht, die den Verteidiger zur Beschränkung oder Rücknahme von (selbst im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch gar nicht eingelegten) Rechtsmitteln (BVerfG NJW 1993, 456) oder auch zum Rechtsmittelverzicht berechtigt, sondern nur, wenn die Vollmacht eine ausdrückliche Ermächtigung hierzu (§ 46 Abs. 1 OWiG, § 302 Abs. 2 StPO) enthält (OLG Karlsruhe zfs 1997, 393; Thüringer OLG zfs 2007, 412; KG NJW 2009, 1686).

Anderes soll dann gelten, wenn sich der Verteidiger erst im Berufungsverfahren bestellt hat (Hanseatisches OLG StraFo 1998, 49).

 

Rz. 5

 

Achtung: Zustellungen für den Mandanten

Der gewählte Verteidiger, dessen schriftliche Vollmacht sich bei den Akten befindet, gilt kraft Gesetzes (§ 145a Abs. 2 StPO; § 51 Abs. 3 OWiG) als ermächtigt, Zustellungen (aber keine Ladungen) und sonstige Mitteilungen, wie z.B. Zustellung des Bußgeldbescheides, der Anklage (§ 201 StPO), eines Hinweises nach § 72 Abs. 1 S. 2 OWiG oder des Urteiles für den Beschuldigten entgegenzunehmen.

Zugestellt werden kann dem Anwalt jedoch nur dann, wenn eine entsprechende Vollmacht im Zeitpunkt Entscheidung bzw. Zustellung schriftlich vorlag (OLG Düsseldorf ZAP 2004, 105; BGH, Beschl. v. 3.12.2008 - 2 StR 500/08). Da sich die Zustellungsbevollmächtigung aus dem Gesetz ergibt, kann sie auch nicht durch entsprechende Formulierungen in der Vollmachtsurkunde eingeschränkt werden (OLG Köln NZV 2004, 595; OLG Dresden DAR 2005, 572).

Eine außergerichtliche Vollmacht reicht nicht aus (OLG Brandenburg zfs 2005, 571); eine ausdrücklich (nur) für das Strafverfahren erteilte fingiert für das sich anschließende Bußgeldverfahren ebensowenig eine Zustellungsvollmacht (OLG Brandenburg, Urt. v. 4.12.2008 - 2 Ss 121 Z/08; OLG Zweibrücken zfs 2016, 172), wie die zur Regulierung zivilrechtlicher Ansprüche legitimierende (AG Berlin-Tiergarten NZV 2018, 340).

Dies gilt auch für eine außergerichtliche Vollmacht, zumindest so lange nicht die Gesamtumstände unmissverständlich auf eine Verteidigungsvollmacht schließen lassen (OLG Brandenburg DAR 2004, 105; zfs 2005, 571; OLG Hamm DAR 2004, 105), wohingegen ein Teil der Rechtsprechung (OLG Dresden SVR 2007, 393; OLG Düsseldorf NJW 2008, 571; KG VRS 2007, 475; LG Berlin DAR 2010, 533) im Hinblick auf die für die Verwaltungsbehörden andernfalls bestehende "Verjährungsfalle" damit sehr viel großzügiger umgehen.

Schließlich entsteht eine gesetzliche Zustellungsvollmacht auch nicht dadurch, dass der Anwalt in der Hauptverhandlung als Verteidiger aufgetreten ist (BGH NJW 1996, 406; BayObLG DAR 2003, 380).

 

Rz. 6

 

Achtung: Zustellungsvollmacht gilt nicht für alle Anwälte einer Kanzlei

Zustellungsbevollmächtigt ist auch bei einer aus mehreren Anwälten bestehenden Kanzlei nur der Anwalt, der sich zum Verteidiger bestellt hat (OLG Zweibrücken zfs 2016, 172).

 

Rz. 7

 

Achtung: Rechtsgeschäftliche Vollmacht

Auch ohne dass eine schriftliche Verteidigervollmacht vorliegt, ist eine Zustellung dann möglich, wenn dem Verteidiger eine zur Zustellung bevollmächtigende rechtsgeschäftliche Vollmacht (die keiner Schriftform bedarf) erteilt worden war. Dabei ist es unschädlich, wenn das Bestehen einer solchen Vollmacht erst nach der Zuste...

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