Rz. 55

Der VR ist nach § 6 Abs. 5 VVG n.F. zum Ersatz des Schadens verpflichtet, dem der VN durch Verletzung der Beratungs- oder Dokumentationspflicht nach § 6 Abs. 1, 2 oder 4 VVG n.F. entstanden ist, es sei denn, der VR hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Für den Versicherungsvermittler gilt Entsprechendes nach § 63 VVG n.F.

Es handelt sich um einen eigenständigen, vom Abschluss eines Versicherungsvertrages unabhängigen, Schadensersatzanspruch. Das Verschulden des VR bzw. Versicherungsvermittlers wird vermutet (§ 6 Abs. 5 S. 2, § 63 S. 2 VVG n.F.). Für Fehler des Versicherungsvermittlers hat der VR nach § 278 BGB einzustehen. Im vorvertraglichen Bereich der Beratungspflichten besteht zwischen beiden ein Gesamtschuldverhältnis.

 

Rz. 56

 

Praxistipp

Im Prozess muss der VN daher nur den "Anlass" für die unterlassene Beratung darlegen, während der VR bzw. Versicherungsvermittler die konkrete Beratung anzugeben hat. Nach den allgemeinen Regeln hat der VN die anspruchsbegründende Tatsache einer unterlassenen (bzw. fehlerhaften) Beratung zu beweisen. Aus der Pflicht zur Dokumentation der Beratung (§ 6 Abs. 1 S. 2 VVG n.F.) wird man jedoch bei einer fehlenden bzw. unvollständigen Dokumentation eine (widerlegliche) Vermutung anzunehmen haben, dass eine nicht dokumentierte Beratung nicht (bzw. bei unvollständiger Dokumentation nur in diesem Umfang) stattgefunden hat. Der VR bzw. Versicherungsvermittler muss diese Vermutung durch den vollen Beweis der geschuldeten Beratung entkräften.[49]

 

Rz. 57

Nach altem Recht ergab sich gegen den VR ein etwaiger Anspruch wegen Verletzung einer Pflicht aus dem nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB durch Aufnahme von Vertragsverhandlungen entstandenen vorvertraglichen Schuldverhältnis. Einem Schadensersatzanspruch gegen den Versicherungsvertreter stand in Regel § 311 Abs. 3 BGB im Wege, da der Vertreter wirtschaftlich betrachtet, gleichsam in eigener Sache tätig geworden sein musste, wofür die Aussicht auf eine Provision gerade nicht genügte.

Checkliste: Berater zum Vertragsabschluss

Statusbezogene Informationspflichten (§ 11 VersVermV)

Umfassende Angaben zum Vermittler selber (z.B. Name, Anschrift, Makler oder Agent, Sitz)

Befragung/Bedarfsanalyse

Umfang gem. § 61 Abs. 1 S. 1 VVG n.F. abhängig von

  • Schwierigkeit der angebotenen Versicherung
  • Person VN
  • Situation des VN

Umfang aus Vereinbarungen im Maklervertrag

Zu klären

  • bestehende Versicherungen
  • Abzusicherndes Risiko (Personen)
  • Notwendige bzw. gewünschte Leistungen
  • Finanzielle, berufliche und gesundheitliche Situation von VN und VP

Beratung/Deckungskonzept

Beratung muss enthalten

  • Was ist versichert? Unfall + Ausschlüsse

Leistungshöhe Invalidität (Besonderheiten wie Progression oder Franchise)

  • Möglichkeiten einer Dynamisierung
  • Darstellung anderer Leistungsarten
  • Besondere Vereinbarungen
  • Preise (und Preis-/ Leistungsverhältnis)

Makler muss "hinreichende Zahl" an Angeboten vorlegen

(mehrere Angebote größerer VR am deutschen Markt)
Einschränkung der Beratungsgrundlage ist nach § 60 Abs. 1 S. 2 VVG n.F. möglich

Dokumentation

Grds. erforderlich, § 61 Abs. 1 S. 2 VVG n.F.
Entbehrlich bei schriftlichem Verzicht durch den VN
Entbehrlich bei fehlender Beratungspflicht (fest eingeschränkter und geäußerter Wunsch des VN)

Inhalt des Vertrags

Befragung mit Antworten
Inhalt der Beratung
Gründe für erteilten Rat
Grds. Textform

Zeitpunkt:Informationen nach § 60 Abs. 2 VVG n.F. vor Abgabe der Vertragserklärung des VN

Informationen nach § 61 Abs. 1 S. 1 VVG n.F. vor Vertragsabschluss
Unterschrift VN ist nicht erforderlich (aber sinnvoll als Beweis)

Rechtsfolge

Beweislastumkehr, Makler muss die Erteilung eines konkreten Rats beweisen[50]
Ggf. Schadenersatz, § 63 VG n.F.
[49] Marlow/Spuhl-Spuhl, Rn 109.
[50] OLG Saarbrücken v. 27.1.10 – 5 U 337/0–82, VersR 2010, 1181.

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