Rz. 11

Mit dem sog. Supervermächtnis möchte man zum einen die Vorteile des sog. Berliner Testaments gewährleisten, namentlich die umfassende Nutzung des von beiden Ehegatten stammenden Vermögens durch den längerlebenden Ehegatten und dessen damit einhergehende Versorgung sowie die unbeschränkte lebzeitige und letztwillige Verfügungsmöglichkeit des längerlebenden Ehegatten (bei Letzterem jedenfalls, wenn ihm hinsichtlich der Schlusserbenstellung eine umfassende Änderungsbefugnis eingeräumt wird).[5]

 

Rz. 12

Zum anderen kommt aber gerade bei größeren Vermögen, bei denen im ersten Erbfall der Erbschaftsteuerfreibetrag des Ehegatten nicht nur unwesentlich überschritten wird,[6] die steuerliche Überlegung hinzu, die Erbschaftsteuerfreibeträge weiterer potenzieller Erben (insbesondere der gemeinsamen Kinder und gegebenenfalls Enkelkinder) nicht durch deren Enterbung leerlaufen zu lassen, sondern ebenfalls (möglichst) umfassend auszuschöpfen.[7] Dabei soll auch die Kumulation des gesamten Erblasservermögens beim überlebenden Ehegatten vermieden werden, um die Nachteile der Erbschaftsteuerprogression abzumildern.[8]

[4] Die folgenden Ausführungen sind vorveröffentlicht in Beckervordersandfort/Bock, ZErb 2020, 81 und ZErb 2020, 117.
[5] Langenfeld, JuS 2002, 351; Mayer, DStR 2004, 1409, 1414.
[6] Demgegenüber sieht Mayer, DStR 2004, 1409, 1414, ein Supervermächtnis und ähnliche Gestaltungen bei kleinen und mittleren Vermögen, die die Ehegattenfreibeträge nicht oder nur unwesentlich überschreiten als "überkonstruiert" an.
[7] Bredemeyer, ZErb 2017, 343, 347; Schmidt, BWNotZ 1998, 97.
[8] Kanzleiter, in: FS Brambring, S. 225, 226.

aa) Gestaltungsmodell des sog. Supervermächtnisses

 

Rz. 13

Um die vorgenannten Interessen miteinander zu vereinbaren, wurde das Gestaltungsmodell des sog. Supervermächtnisses entwickelt,[9] welches maßgeblich auf einer Kombination einer Drittbestimmung des konkreten Vermächtnisnehmers i.S.v. § 2151 Abs. 1 BGB mit einem Zweckvermächtnis i.S.v. § 2156 BGB basiert.[10] Zusätzlich zur Gestaltung der Erbenstellung nach dem Berliner Testament wird dabei der überlebende Ehegatte zugleich als Bestimmungsberechtigter wie auch als Beschwerter eines Vermächtnisses eingesetzt, das den im ersten Erbfall enterbten Kindern als Abfindung für diese Enterbung wie auch dazu dienen soll, deren Erbschaftsteuerfreibeträge auszunutzen.[11]

Im Folgenden werden die Zulässigkeit und Grenzen des Supervermächtnisses im Einzelnen beleuchtet. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, ob eine Gestaltung derart möglich ist, dass der überlebende Ehegatte entscheiden kann, ob überhaupt und in welcher Höhe Zuwendungen erfolgen.

[9] Grundlegend Schmidt, BWNotZ 1998, 97; Langenfeld, JuS 2002, 351; Ebeling, ZEV 2000, 87; Everts, ZErb 2004, 373; Mayer, DStR 2004, 1409.
[10] DNotI-Report 2010, 3, 4.
[11] DNotI-Report 2010, 3, 4; Schmidt, BWNotZ 1998, 97, 101.

bb) Zivilrechtliche Beurteilung des Supervermächtnisses

(1) Kein Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB

 

Rz. 14

§ 2065 BGB regelt die materielle Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen und ergänzt damit die in § 2064 BGB enthaltene formelle Höchstpersönlichkeit.[12] § 2065 Abs. 2 BGB bezweckt sicherzustellen, dass die Entscheidung über das Schicksal des Nachlasses nicht von Personen getroffen wird, die sich der Verantwortung für die Verwendung dieses Vermögens gar nicht als Inhaber desselben bewusst werden konnten.[13]

 

Rz. 15

Von diesem Grundsatz enthalten die §§ 2151 bis 2156 BGB weitreichende Ausnahmen. Deren Zweck und Berechtigung ergibt sich in systematischer Zusammenschau mit § 2065 Abs. 2 BGB. Sie beruhen auf der gegenüber der Erbenstellung geringeren Bedeutung des Vermächtnisses und darauf, dass kein entgegenstehendes Interesse der Nachlassgläubiger zu berücksichtigen ist, da der Vermächtnisnehmer selbst nur Nachlassgläubiger ist.[14]

 

Rz. 16

Die Möglichkeiten in §§ 2151 und 2152 BGB, den Bedachten durch einen Dritten bestimmen zu lassen, lassen sich mit den Möglichkeiten des § 2153 BGB zur Festlegung der Anteile der Vermächtnisnehmer am Vermächtnis und den §§ 2154 bis 2156 BGB kombinieren, bei denen ein Dritter den konkreten Vermächtnisgegenstand bestimmt.[15]

 

Rz. 17

Schließlich kann der Bestimmungsberechtigte gemäß § 2181 BGB den Zeitpunkt der Vermächtniserfüllung bestimmen. Unter Berücksichtigung des in § 271 Abs. 2 BGB bestimmten Grundsatzes kann der Beschwerte bei einer bloßen Anordnung des § 2181 BGB das Vermächtnis zu seinen Lebzeiten erfüllen, der Vermächtnisnehmer die Erfüllung aber nicht vor dem Tod des Beschwerten verlangen.[16]

[12] Staudinger/Otte, § 2065 Rn 1 f.
[13] Staudinger/Otte, § 2065 Rn 2; DNotI-Report 2010, 3.
[14] MüKo/Rudy, § 2151 Rn 1.
[15] Keim, ZEV 2016, 6, 7; MüKo/Rudy, § 2151 Rn 1; Schmidt, BWNotZ 1998, 97, 101; Palandt/Weidlich, § 2151 Rn 1. Einen tabellarischen Überblick zu den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten geben NK-BGB/Horn/Mayer, § 2151 Rn 22.
[16] Ebeling, ZEV 2000, 87, 88.

(2) Anforderungen der §§ 2151 ff. BGB

(a) Anforderungen an die Bestimmung des Bedachten gemäß § 2151 BGB

 

Rz. 18

Gemäß § 2151 Abs. 1 BGB kann der Erblasser mehrere Personen mit einem Vermächtnis in der Weise bedenken, dass der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, wer von den Mehreren das Vermächtnis erhalten soll.

Na...

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