Rz. 45

Der Umstand, dass jemand nach einem Geschehnis Vermögenseinbußen hat oder immaterielle Beeinträchtigungen beklagt, bedeutet nicht automatisch, dass ihm hierfür auch stets ein anderer materiellen Schadensersatz und billige (immaterielle) Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) zu leisten hat. Es bedarf stets einer Anspruchsnorm, die einen Dritten dem Grunde nach zum Ersatz verpflichtet.

 

Rz. 46

Es gibt auch Fälle, in denen ein Geschädigter zwar ein Unglück erleidet, aber – so hart dies im Einzelfall auch sein mag – seinen Schaden selbst tragen muss.[19]

 

Rz. 47

Bei fehlender eigener Rechtsgutverletzung besteht kein Anspruch. Setzt z.B. ein Unternehmen für den verletzten Mitarbeiter eine Ersatzkraft ein, sind die dadurch verursachten Kosten nicht erstattungsfähig. Für einen in diesem Zusammenhang oft als Anspruchsgrundlage bemühten Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fehlt es an der Betriebsbezogenheit des Eingriffs.[20] Die Verletzungshandlung kann jedermann treffen, so dass keine Verhaltenspflichten verletzt werden, die dem Schädiger gerade im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis eines Gewerbebetriebes obliegen.[21]

 

Rz. 48

Der Direktanspruch (§ 115 VVG) verwischt manchmal die für die Einstandspflicht allein entscheidenden Haftungsstrukturen. Verursacht z.B. der Ehemann den Tod seiner Ehefrau (z.B. als Beifahrerin im vom Mann gesteuerten Fahrzeug), hat der Witwer (= Schädiger) – im Gegensatz zu unterhaltsberechtigten Kindern – keinen Anspruch auf Ersatz von Beerdigungs- und Unterhaltsschäden, Hinterbliebenengeld oder entgangener Dienste.[22]

[19] BGH v. 8.11.2005 – VI ZR 332/04 – BGHReport 2006, 233 = JA 2006, 404 (nur Ls.) = MDR 2006, 569 = NJW 2006, 610 = NZV 2006, 195 (nur Ls.) = r+s 2006, 212 = VersR 2006, 233; BGH v. 15.7.2003 – VI ZR 155/02 – BGHReport 2003, 1200 = IVH 2003, 226 (nur Ls.) = MDR 2003, 1352 = NJW-RR 2003, 1459 = NZV 2004, 79 = r+s 2004, 390 = VersR 2003, 1319 = zfs 2003, 583; BGH v. 15.4.1975 – VI ZR 19/74 – VersR 1975, 812.
[20] BGH v. 15.5.2012 – VI ZR 117/11 – GewArch 2012, 373 = MDR 2012, 763 = NJW 2012, 2579 = SP 2012, 279 = VersR 2012, 910 = WM 2012, 1249; BGH v. 14.10.2008 – VI ZR 36/08 – BGHReport 2009, 239 = DAR 2009, 31 = jurisPR-VerkR 1/2009, Anm. 2 (Anm. Lang) = MDR 2009, 26 = NJW 2009, 355 = NJW-Spezial 2009, 239 = NZV 2009, 28 = SP 2009, 3 = VersR 2008, 1697 = VerkMitt 2009, Nr. 2; BGH v. 10.12.2002 – VI ZR 171/02 – NJW 2003, 1040 = NZV 2003, 171 = VersR 2003, 466 = zfs 2003, 224 (Wird der Partner eines erfolgreichen Eiskunstlaufpaares bei einem Verkehrsunfall verletzt, kann die Partnerin keinen Ersatz desjenigen Schadens verlangen, der ihr durch den zeitweiligen Ausfall des Partners entstanden ist). Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 3 Rn 298 ff., § 5 Rn 225 ff. m.w.H.
[21] BGH v. 21.6.1977 – VI ZR 58/76 – MDR 1978, 128 = NJW 1977, 2264 = VersR 1977, 965.
[22] Jahnke, Unfalltod und Schadenersatz, 2. Aufl. 2012, § 2 Rn 452, 534 ff., 549 ff.

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