Rz. 888

 

§ 422 BGB – Wirkung der Erfüllung

(1)

1Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner.

2Das Gleiche gilt von der Leistung an Erfüllungs statt, der Hinterlegung und der Aufrechnung.

(2) Eine Forderung, die einem Gesamtschuldner zusteht, kann nicht von den übrigen Schuldnern aufgerechnet werden.
 

§ 423 BGB – Wirkung des Erlasses

Ein zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarter Erlass wirkt auch für die übrigen Schuldner, wenn die Vertragschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollten.

 

Rz. 889

Gemäß § 423 BGB wirkt ein zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarter Erlass auch für die übrigen Schuldner, wenn die Vertragsschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollen; Entsprechendes gilt für den Abschluss eines Vergleiches.[762] Ob ein Vergleich Gesamtwirkung haben soll,[763] ist durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). Zwar soll im Zweifel einem Erlass[764] oder einem Vergleich[765] mit einem der Gesamtschuldner grundsätzlich keine Gesamtwirkung zukommen; eine solche Gesamtwirkung kann aber angenommen werden, wenn sich aus dem Vergleich ausdrücklich oder nach den Umständen ergibt, dass der Gläubiger den Willen hatte, auch gegenüber dem nicht am Vergleich beteiligten Gesamtschuldner auf weitergehende Ansprüche zu verzichten und ihn deshalb nicht mehr in Anspruch zu nehmen. Ein Vergleich jedenfalls im Bereich der Unfallschadenregulierung hat i.d.R. nicht nur Einzelwirkung, ihm kommt vielmehr, sofern nichts Entgegenstehendes fixiert ist,[766] regelmäßig Gesamtwirkung zu.[767] Der Vergleichspartner hat ein Interesse daran, den Konflikt für ihn endgültig aus der Welt zu schaffen. Es wäre für ihn untragbar, wenn er sich die durch den Vergleich erkauften Vorteile über Regressansprüche der anderen Gesamtschuldner wieder nehmen lassen müsste.[768]

 

Rz. 890

In Abfindungserklärungen wird häufig klargestellt, dass Schadenersatzansprüche gegen Dritte mit der Abfindung insoweit ausgeschlossen sind, als die in Anspruch genommenen Dritten ihrerseits Ausgleichsansprüche gegen den Haftpflichtversicherer und die bei ihm versicherten Personen geltend machen können. Die Abfindungserklärung umfasst grundsätzlich auch einen Verzicht auf alle Ansprüche gegen jeden weiteren (gesamtschuldnerisch) haftenden Dritten (§ 422 BGB).[769]

 

Rz. 891

Dieser regelmäßig formularmäßige Verzicht verstößt nicht gegen das AGBG[770] bzw. die das AGBG ablösenden Vorschriften des BGB (§§ 305 ff. BGB).[771]

 

Rz. 892

Zweck dieser Regelung ist es, auch formal zu verhindern, dass der Haftpflichtversicherer nach Zahlung der Abfindungssumme mit Ausgleichsansprüchen Dritter konfrontiert wird.[772] Sollte – was zwar außergewöhnlich wäre, aber nicht zwingend auszuschließen ist[773] – hiervon im Einzelfall abgewichen worden sein, ist dieses zur Klarstellung schriftlich festzuhalten.[774]

 

Rz. 893

Für den Fall, dass keine Erklärungen hinsichtlich weiterer Gesamtschuldner festgehalten sind, gilt nach § 422 BGB, dass die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch die Schuld der anderen Gesamtschuldner tilgt. Die Tilgungswirkung erstreckt sich nur auf denjenigen Anteil der Schadenersatzforderung, für die eine Gesamtschuld und nicht nur eine Teilschuld besteht; hier sind entsprechende Feststellungen zu treffen. Soweit keine Gesamtschuld besteht, erfolgt auch keine Erledigung. Schwierig wird es bei einem Risikovergleich zu Grund und gleichzeitig zur Höhe des verfolgten Anspruches (wenn nicht eine Haftung fixiert wurde).

 

Rz. 894

 

Beispiel 2.9

Der 15.8.2017 verläuft für A nicht gut:

I.

Haftungsgeschehen

1.

Auf einer Straßenkreuzung wird dem A von X die Vorfahrt genommen. Da A zu schnell fuhr, trifft ihn ein Mitverschulden i.H.v. 30 % am Zustandekommen des Unfalles.

X haftet ihm auf materiellen und immateriellen Schadenersatz nach einer Haftungsquote von 70 %.

2.

Auf dem Krankentransport kommt es zu einem weiteren Unfall zwischen dem Krankenwagenfahrer Y und dem Z. Die Verursachungsanteile liegen zu ⅓ bei Y und zu ⅔ bei Z.

Y und Z haften gegenüber A allerdings zu 100 %, da A selbst nicht zu seinen Verletzungen beigetragen hatte (A hatte keinen Einfluss auf die Art und Weise seines Transportes genommen).

3. Im Krankenhaus K kommt es zu einer Patientenverwechselung. A wird aufgrund dessen zum Pflegefall. Die notwendige Versorgung, die Gegenstand der Behandlung war, wäre sowohl aufgrund des Unfall 1 wie auch des Unfall 2 erfolgt.
II.

Verletzungsgeschehen

1.

A wird durch jedes weitere Unfallgeschehen erneut verletzt.

Für die Regulierung ist die Unterscheidung wichtig, ob die Kausalkette von der ersten bis zur dritten Unfallursache nicht unterbrochen wird und inwieweit die Verursacher gesamtschuldnerisch haften. Je früher ein Gesamtschuldner in die Verantwortlichkeit einsteigt desto geringer ist die Schwierigkeit für A, Unfallfolgen rechtlich einem bestimmten Geschehen (Unfall) zuzuordnen.

2. Andererseits ist auch die Reichweite etwaiger Abfindung seitens eines Beteiligten zu bedenken, da h...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge