Rz. 168

Leistungserbringer (= Anspruchsgegner) sind zum einen der Schadenersatzpflichtige (und sein Haftpflichtversicherer), zum anderen aber auch Drittleistungsverpflichtete.

 

Rz. 169

 

Übersicht 2.9: Leistungszuständigkeit im Schadenfall

Leistungserbringer Leistungsgrund

Ersatzverpflichteter

(bzw. hinter ihm stehender Haftpflichtversicherer)

Haftungsnormen

bestimmen die Ersatzpflicht

Schadenersatznormen

bestimmen den zu erstattenden Schaden.

Drittleistungsträger

(zugleich i.d.R. gegenüber dem Schadenersatzpflichtigen dann Ersatzempfänger)

Leistungspflicht aufgrund eigener Rechtsbeziehung zum Versicherten, Arbeitnehmer pp.

(z.B. aufgrund des Sozialversicherungs-, Sozialhilfe-, Arbeits- oder privaten Versicherungsrechtes)

a) Unmittelbare Verantwortlichkeit

 

Rz. 170

Als Anspruchsverpflichtete kommen neben dem handelnden Schädiger selbst u.a. auch für ein prinzipiell gefährliches Objekt (Kfz, Tier) Verantwortliche in Betracht.[99]

 

Rz. 171

Der für das Schadenereignis unmittelbar Verantwortliche haftet der Höhe nach unbeschränkt, sofern er nicht bereits im Haftungsverhältnis seine Verantwortung privatrechtlich wirksam beschränkte oder gesetzliche Normen (z.B. § 12 StVG) eine Haftungshöchstsumme vorsehen.[100]

[99] Siehe ergänzend Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 2 Rn 28.
[100] Siehe ergänzend Jahnke/Burmann-Jahnke, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 4 Rn 40 ff.

b) Haftpflichtversicherer

 

Rz. 172

Während Personenschaden und Personenfolgeschaden bei Verschuldenshaftung grundsätzlich ohne Begrenzung der Schadenhöhe vom Schadensersatzpflichtigen zu ersetzen sind, ist der hinter einem schadenrechtlich Verantwortlichen stehende Haftpflichtversicherer auf seine versicherungsvertragliche Leistung beschränkt: Der Versicherer schuldet nur eine Leistung (Versicherungsleistung), haftet aber nicht.

 

Rz. 173

Wird die Versicherungssumme überschritten, sind die §§ 107, 109 VVG (für Schadenfälle mit primären Schadensereignis bis 31.12.2007: §§ 155, 156 Abs. 3 VVG a.F.) zu bedenken.[101]

[101] Siehe ergänzend Jahnke/Burmann-Langenick, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 7 Rn 101 ff.

c) Drittleistungsträger

 

Rz. 174

Verletzte haben nicht nur Ansprüche gegenüber dem Unfallverursacher (Schadenersatzpflichtiger), sondern auch gegenüber Drittleistungsträgern (wie SVT, Arbeitgeber, Privatversicherung).[102]

[102] Dazu Jahnke/Burmann-Jahnke, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 5 Rn 6 ff.

aa) Sozialversicherungsträger – Sozialhilfeträger

 

Rz. 175

Bei der Schadenabwicklung ist zwingend und strikt auseinander zu halten, ob es sich um Leistungen der Sozialversicherung (SVT) oder solche der Sozialhilfe (SHT) handelt.

 

Rz. 176

Rechtsgrundsätze, die für die Sozialversicherung entwickelt wurden, gelten definitiv nicht automatisch auch für die Sozialhilfe.[103]

[103] BGH v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10 – GesR 2012, 475 = jurisPR-SozR 13/2012 Anm. 6 (Anm. Dahm) = jurisPR-VerkR 14/2012, Anm. 2 (Anm. Jahnke) = MDR 2012, 840 = NJW 2012, 3639 (Anm. Giesen NJW 2012, 3609) = NJW-Spezial 2012, 394 = NZS 2012, 752 (nur Ls.) = NZV 2012, 577 (Anm. Dahm NZV 2012, 575) = r+s 2012, 414 = SP 2012, 284 = VersR 2012, 924 = VRS 123, 167 (Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für Sozialleistungen, die nicht an das Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses anknüpfen, sind nicht auf Sozialleistungen eines SHT zu übertragen).

(1) Sozialversicherung (SVT)

 

Rz. 177

Die deutsche Sozialversicherung (§ 4 SGB I) ist ein gesetzliches als Solidargemeinschaft ausgeprägtes Versicherungssystem. Es bietet als Teil der sozialen Sicherung finanziellen Schutz vor Lebensrisiken und deren Folgen (wie Alter, Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Invalidität, Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Unfall). Die zu versichernden Risiken (Sozialversicherungszweige) werden weitgehend aus Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert, teilweise auch aus Steuermitteln, und stehen – mit Ausnahme der Krankenversicherung – in keinem Wettbewerbsverhältnis zueinander.

 

Rz. 178

SVT sind diejenigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die – außerhalb der Krankenversicherung – aufgrund von Zuweisungen für den jeweiligen Versicherten zuständig sind.

(2) Arbeitsagentur

 

Rz. 179

Die Arbeitsagentur ist kein SVT,[104] aber als Sozialleistungsträger ihm vielfach angenähert (vgl. § 116 Abs. 10 SGB X), auch wenn einige Leistungsbereiche eher der Sozialhilfe nahestehen (z.B. ALG II).

[104] Dazu ausführlich Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 2 Rn 603 ff., § 4 Rn 527 ff. 608.

(3) Sozialhilfe (SHT)

 

Rz. 180

Die Sozialhilfe (§§ 9, 28 SGB I, SGB XII) hat als öffentlich-rechtliche Sozialleistung im System der sozialen Sicherheit die Funktion einer Grundsicherung und setzt die staatliche Verpflichtung (Art 20 Abs. 1 GG) um, einen Mindeststandard des menschenwürdigen Daseins sicherzustellen. Sozialhilfe (mit Ausnahme der Grundsicherung) setzt ein, sobald dem SHT bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen (§ 18 SGB XII); und zwar ohne dass es eines Antrages bedarf.

 

Rz. 181

SHT ist diejenige Institution, die für die Ausführung der Sozialhilfe zuständig ist und die in ihrem Zustän...

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