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Besonders deutlich wird dieser Interessenwiderstreit im Hinblick auf das Recht des Urhebers auf die Unversehrtheit seines Werkstückes im Verhältnis zwischen dem Architekten und dem Gebäudeeigentümer.[195] Die besonderen Interessen des Eigentümers werden schon dadurch evident, dass er bei Bauwerken in aller Regel erhebliche finanzielle Mittel einsetzt, wohingegen dem Architekten ein Recht auf Werkintegrität zustehen muss, wenn es sich tatsächlich um ein Werk der Baukunst handelt, folglich auch das urheberrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht in besonderem Maße zum Ausdruck kommt. Der Interessengegensatz wird etwa am Beispiel der Erweiterung deutlich. Die dazu ergangene Rechtsprechung ist umfassend.[196] Vielfach zitiert wird der vom BGH entschiedene "Schulerweiterungsfall",[197] bei dem es um die Erweiterung eines bestehenden, atriumartig angeordneten Schulgebäudes ging. Die Erweiterung sollte durch einen anderen Architekten in der Weise umgesetzt werden, dass in dem Innenhof zwei Bauelemente und an eine Außenecke ein Bauelement angefügt werden sollte. In diesem Fall lehnte der BGH aufgrund der geringen Gestaltungshöhe des ursprünglichen Bauwerkes und des daraus resultierenden nicht schwerwiegenden Eingriffs, der den Gesamtcharakter um die Grundkonzeption des Bauwerkes bestehen lasse, allerdings eine Verletzung des Urheberrechts des ursprünglichen Architekten ab.[198] Die Facetten der so genannten Werkintegrität sind in der Weise mehrschichtig, als es zum einen um die sich in dem Bauwerk manifestierende Gestaltungshöhe geht, zum anderen auch die Handlung des Bauherren und Eigentümers im Vordergrund stehen kann. Dies ist der Fall, wenn das allein dem ursprünglichen Architekten als Urheber zustehende Vervielfältigungsrecht verletzt wird, wie dies in dem vom Landgericht Berlin entschiedenen Fall "Hotel Eden"[199] deshalb bejaht wurde, weil der dort durchgeführte Anbau im Wesentlichen die Formen des ursprünglichen Gebäudes hatte.

[195] BGH v. 19.3.2008 – I ZR 166/05, GRUR 2008, 984, 986 (St. Gottfried); BGH v. 2.10.1981 – I ZR 137/79, GRUR 1982, 107, 110 (Kirchen-Innenraumgestaltung); BGH v. 1.10.1998 – I ZR 104/96, GRUR 1999, 230, 233 (Treppenhausgestaltung); vgl. auch von Waasen, Das Spannungsfeld zwischen Urheberrecht und Eigentum im deutschen und ausländischem Recht, S. 98 ff.; Schack, Kunst und Recht, Rn 1133 ff.
[196] Siehe die Nachweise bei von Waasen, Das Spannungsfeld zwischen Urheberrecht und Eigentum im deutschen und ausländischem Recht, S. 101 ff.
[197] BGH v. 31.5.1974 – I ZR 10/73, GRUR 1974, 675 (Schulerweiterung).
[198] BGH v. 31.5.1974 – I ZR 10/73, GRUR 1974, 677.
[199] Schulze, LGZ 64.

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