Rz. 1033

Die gesetzliche Regelung, dass nach besten Kräften oder im Rahmen des Zumutbaren zu streuen und zu räumen ist (vgl. etwa § 9 Abs. 3 StrWG NRW) begründet keine Pflicht, alle Teile der Straße zu jeder Zeit und vollständig gegen Glättebildung zu sichern. Das wäre schlechterdings nicht leistbar. Der sicherungspflichtige Hoheitsträger hat vielmehr ein Ermessen, ob und in welchem Umfang er Sicherungsmaßnahmen ergreift, wie er den Winterdienst organisiert und seine notwendigerweise – auch in wirtschaftlicher Hinsicht – begrenzten Kräfte einsetzt.

 

Rz. 1034

Außerhalb geschlossener Ortslagen ist nur an besonders gefährlichen Stellen zu räumen und zu ­streuen. Geschlossene Ortslage ist eine zusammenhängende Wohnbebauung, die allerdings nicht beidseits der Straße vorhanden sein muss. Das äußere Gepräge der Lage ist entscheidend, sodass es auf die verkehrsrechtliche Begrenzung des innerörtlichen Bereichs durch Ortsschilder nicht ankommt.[3121] Eine besonders gefährliche Stelle ist anzunehmen, wenn der aufmerksame Straßennutzer trotz höherer Sorgfalt infolge der winterlichen Verhältnisse den gefahrbegründenden Straßenzustand nicht rechtzeitig erkennen kann. Daran fehlt es, wenn nach allgemeiner Erfahrung mit einer spezifischen Gefahr zu rechnen ist. Dazu gehört die Neigung zur Glättebildung auf Brücken,[3122] auf Kanal- und Schachtabdeckungen;[3123] bekannte Gefahren sind auch solche, die sich aus der Anlage der Straße selbst ergeben.[3124] Neben einer besonders gefährlichen Stelle muss es sich um eine verkehrswichtige Straße handeln, womit nur schwach befahrene Straßen insgesamt aus der Winterdienstpflicht ausscheiden. Die Verkehrswichtigkeit beurteilt sich vorrangig nach der tatsächlichen Verkehrsbedeutung und dem Verkehrsaufkommen; dass etwa § 3 Abs. 3 StrWG NRW Kreisstraßen als Straßen mit "überörtlicher Bedeutung" definiert, führt nicht gleichsam zur Annahme einer Verkehrswichtigkeit.[3125]

 

Rz. 1035

Dass außerhalb geschlossener Ortslagen Winterdienstpflichten nur in ganz eingeschränktem Maße greifen, gilt dem Grundsatz nach auch für Bundesfernstraßen; auch sie sind nur an besonders gefährlichen Stellen zu räumen und/oder zu streuen,[3126] wozu kleinere Brücken nicht gehören.[3127]

[3121] OLG Köln VersR 1985, 789.
[3122] BGH VersR 1970, 904; OLG Köln NJW-RR 1986, 1223.
[3123] OLG München MDR 2001, 156.
[3124] OLG Nürnberg NZV 1991, 311; OLG Hamm VersR 1982, 556; OLG Köln VersR 1985, 789.
[3126] BGH VersR 1987, 934–935.
[3127] BGH NJW 1970, 1682.

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