Rz. 1228

Zu Gefahrerhöhungen kann es kommen durch Richtungsänderungen im fließenden Verkehr oder sonstige Störungen und Behinderungen des Verkehrsflusses. Hierzu kommt es insbesondere beim Einfahren aus untergeordneten Verkehrsbereichen und beim Anfahren (§ 10 StVO), beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren (§ 9 StVO) und beim Fahrstreifenwechsel (§ 7 Abs. 5 StVO). An solche Verkehrsvorgänge werden schon nach den entsprechenden Vorschriften der StVO erhöhte Sorgfaltsanforderungen gestellt. Wird gegen diese Vorschriften verstoßen und liegen keine Besonderheiten vor, die gegen eine Typizität des Geschehens sprechen,[3450] spricht in der Regel der Anscheinsbeweis für ein schuldhaftes, unfallursächliches Verhalten. Diesen hat der Verstoßende zu erschüttern. Der Verstoß kann – in Abhängigkeit von dem Verursacherbeitrag weiterer Unfallbeteiligter – zur vollen Haftung des vorschriftswidrig Handelnden führen. Werden hingegen gesteigerte Sorgfaltsanforderungen auf beiden Seiten verletzt, kann dies wiederum zur Quote von 1:1 führen. Liegt auf der einen Seite ein grober Verstoß gegen besondere gesetzlich auferlegte Verhaltensregeln vor, auf der anderen Seite dagegen nur ein einfacher Verkehrsverstoß und/oder ein minder gefährliches Verkehrsmanöver oder ist nur die ungesteigerte Betriebsgefahr zu berücksichtigen, kann dies zu einer Fülle von Abstufungen im Einzelfall führen, bis hin zum vollen Ausschluss der Mithaftung.

[3450] Vgl. BGH, Urt. v. 15.5.2018 – VI ZR 231/17, Rn 15, juris = VersR 2018, 957.

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