Rz. 1209

Die Bewertung der im Einzelfall wirksamen Betriebsgefahr knüpft im Ausgangspunkt an die Begriffe der einfachen und der erhöhten Betriebsgefahr an. Die einfache Betriebsgefahr liegt nach allgemeinem Verständnis vor, wenn das Kraftfahrzeug an einem Unfall beteiligt ist und sich keine mitwirkenden, für die Entstehung des Schadens gefahrerhöhenden Umstände feststellen lassen. Die erhöhte Betriebsgefahr erfordert unstreitige, zugestandene oder bewiesene Umstände, die den Schadenseintritt durch das betreffende Fahrzeug in gesteigertem Maße wahrscheinlich gemacht haben. Insoweit folgt die Bewertung der Verursacherbeiträge im Rahmen des Innenausgleichs im Rahmen unter Berücksichtigung der im Vorangehenden dargelegten Besonderheiten den allgemeinen Grundsätzen.

 

Rz. 1210

Zu unterscheiden sind Faktoren, die objektiv vorliegen und solche, die eine subjektive Komponente enthalten.

 

Rz. 1211

Zu den subjektiven Tatbeständen der Gefahrerhöhung zählt jedes verkehrswidrige Verhalten des Fahrers und eines bei dem Betrieb tätigen Dritten, ferner gehören dazu Einschränkungen in der Fähigkeit zur Beherrschung des Kraftfahrzeuges, die Zurechnung technischer Mängel und der Grad des Verschuldens. Auf die subjektive Vorwerfbarkeit kommt es nicht entscheidend an. Das mitwirkende Verhalten ist objektiv in Bezug auf die dadurch bewirkte höhere Gefährlichkeit des Kraftfahrzeuges zu bestimmen.

 

Rz. 1212

Die objektiven Bemessungsfaktoren beruhen auf der Art des Kraftfahrzeuges, seiner Bauart, seiner Masse, seinem technischen Ausstattungsstandard, seiner Wirkungsweise im Verkehrsraum, seiner Leistungsfähigkeit und der Leistungsfähigkeit der Anlagen. Dazu im Einzelnen:

 

Rz. 1213

Art des Kraftfahrzeuges:

Die Betriebsgefahr eines Motorrads kann z.B. erhöht sein durch Instabilität und erhöhte Sturzgefahr.[3436] Eine Erhöhung der Betriebsgefahr kann aber erneut nur angenommen werden, wenn und soweit sich diese nachweislich als Unfallursache ausgewirkt hat.[3437]

 

Rz. 1214

Lastzüge, Lkw und Busse können im Vergleich zu einem Pkw oder einem Zweirad eine erhöhte Betriebsgefahr haben wegen ihrer Länge und Breite, bei besonderen Aufbauten, aufgrund der eigenen und/oder transportierten Masse, aufgrund der Unübersichtlichkeit für den Fahrer, der Schwerfälligkeit bei notwendigen Reaktionen und der größeren Inanspruchnahme von Verkehrsräumen.[3438] Ein Umstand muss aber erwiesenermaßen ursächlich für das Unfallgeschehen gewesen sein, sonst bleibt er außer Ansatz.[3439] Vergleichbare Erwägungen treffen auch auf Kraftfahrzeuge mit Anhängern[3440] und auf Schneepflüge[3441] und Wohnmobile[3442] zu.

 

Rz. 1215

Bei allen gefahrerhöhenden Umständen ist zu beachten, dass diese nur dann in die Abwägung einfließen dürfen, wenn sie sich im konkreten Unfallgeschehen ausgewirkt haben.[3443] Daran fehlt es zum Beispiel bei Kraftfahrzeugen mit verminderter Bremsverzögerung dann, wenn es nach der Lage des Unfalls auf die Verzögerungswerte nicht ankam. Bei der Beteiligung eines solchen Kraftfahrzeuges im ruhenden Verkehr kann sich die spezifische Bauart jedoch durch die größere Masse oder auch wegen fehlender technisch nicht vorgesehener, aber vielfach notwendiger Beleuchtungsquellen im Seitenbereich auswirken. Solche Sonderrisiken können die Gefahr erhöhen. Die Betriebsgefahr eines Gabelstaplers kann z.B. zusätzlich erhöht sein, wenn er ohne größere Geräuschentwicklung fährt und wenn die Gabel zum Aufnehmen von Paletten in geringer Höhe über der Fahrbahn für den Querverkehr schwer erkennbar ist.[3444] Selbst bei einer Kollision zwischen einem wartepflichtigen Radfahrer und einem bevorrechtigten Ackerschlepper kommt eine Haftungsbeteiligung von 30 % in Betracht, wenn die schweren Verletzungen des Radfahrers gerade darauf beruhen, dass die Gabel des Frontladers heruntergestellt war.[3445] Die kastenförmige Bauweise und der Frontbügel eines Geländewagens können ebenfalls das Verletzungsrisiko bei Kollisionen erhöhen. In dieser Konstruktion kann gegenüber einem Pkw mit üblicher Bauweise eine erhöhte Betriebsgefahr liegen, die berücksichtigt werden muss, wenn sie sich ausgewirkt hat.[3446]

 

Rz. 1216

Die Gewichtung der einzelnen Abwägungsfaktoren muss im Zusammenhang mit dem komplexen Unfallgeschehen erfolgen, also die weiteren Faktoren dynamisch einbeziehen, die bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt haben. Die Bedeutung des einzelnen Umstandes kann nur im Lichte der situationsbezogenen Mitwirkung der anderen mitwirkenden Faktoren bewertet werden. Die Auswirkungen für die Quote lassen sich daher nicht generell, sondern nur im Einzelfall feststellen.[3447]

 

Rz. 1217

Dennoch haben sich durch Auswertung der fast unübersehbaren Literatur und Rechtsprechung generalisierende Richtlinien herausgebildet, auf die mit dem notwendigen Vorbehalt bei der Abwägung im konkreten Fall zurückgegriffen werden kann.

 

Rz. 1218

Die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges im Ruhestand ist weniger gefährlich als die eines Kraftfahrzeuges, das fährt. Aber auch dies ist mit Vorbehalten behaftet. So kann sic...

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