Rz. 1163

Arbeitnehmern können dann, wenn sie einen Schaden ihres Arbeitgebers verursachen, je nach Grad des Verschuldens Haftungserleichterungen zugutekommen.[3384] Trifft diese Haftungserleichterung bei einem Schadensereignis mit der Schadensverursachung durch eine weitere gesamtschuldnerisch haftende Person zusammen, so ist der Anspruch des Arbeitgebers gegen diesen Zweitschädiger um den Haftungsanteil des eigenen Arbeitnehmers reduziert.[3385]

 

Rz. 1164

Bei nicht vorsätzlicher Schädigung einer Person durch eine mit dieser Person in häuslicher Gemeinschaft lebende Person ist das Haftungsprivileg des Schädigers, welches sich aus § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X ergibt und dem Schutz des häuslichen Friedens sowie der wirtschaftlichen Einheit der häuslichen Gemeinschaft dient, zu beachten. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang für Schadensereignisse nach dem 31.12.2020 (§ 120 Abs. 1 S. 3 SGB X in der seit dem 1.1.2021 geltenden Fassung) die zum 1.1.2021 in Kraft getretene Gesetzesänderung: Zum einen wird die Haftungsprivilegierung nach § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X von "Familienangehörigen" auf Personen erweitert, die "mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft" leben und erfasst somit alle Personen, die in einem familiären Näheverhältnis in häuslicher Gemeinschaft miteinander leben.[3386] Zum anderen geht aber nunmehr, anders als nach bisheriger Gesetzeslage[3387] auch ein ggf. nach § 115 VVG bestehender Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Angehörigen auf den Sozialversicherungsträger über, § 116 Abs. 6 S. 3 SGB X. Dieser Übergang ist allerdings beschränkt auf die Höhe der zur Verfügung stehenden Versicherungssumme; auch hier ist ein Direktanspruch gegen den Schädiger bei vorsätzlicher Verursachung des Unfalls möglich. Grund für die Gesetzesänderung ist, dass durch den Eintritt der Haftpflichtversicherung Beeinträchtigungen der häuslichen Gemeinschaft nicht zu befürchten sind und daher in diesen Fällen keine Rechtfertigung für den Regressausschluss besteht. Vielmehr ist ein Interesse der Solidargemeinschaft vorhanden, dass für die durch das schädigende Ereignis entstandenen Aufwände für Sozialleistungen, wie von der Grundregelung des § 116 Absatz 1 SGB X vorgesehen, verursachergerecht die schädigende Person beziehungsweise ihre Haftpflichtversicherung aufkommt, die ja gerade für Schadensfälle abgeschlossen worden ist und der zur Deckung des versicherten Risikos Prämien gezahlt worden sind.[3388]

Ein Übergang von Ansprüchen gegen die mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebende Person findet auch bei § 86 Abs. 3 VVG nicht statt (vgl. dazu § 36 Rdn 69 und § 36 Rdn 160). Haftet mit dem Angehörigen ein nicht angehöriger Zweitschuldner als Gesamtschuldner (vgl. dazu § 36 Rdn 67 und § 36 Rdn 301 ff.), sind Regressansprüche des Versicherers, des Sozialversicherungsträgers oder des Dienstherrn gegen den Mitschuldner auf den im Innenverhältnis bestehenden Haftungsanteil des Angehörigen reduziert.[3389]

 

Rz. 1165

Der nach § 708, § 1359, § 1664 BGB sowie § 4 LPartG begünstigte Schädiger ist von der Haftung im Verhältnis zum Gläubiger freigestellt, wenn er bei der schädigenden Handlung den Rahmen der eigenüblichen Sorgfalt nicht überschreitet (vgl. dazu § 33 Rdn 6 und § 35 Rdn 8). Im Grundsatz besteht Einigkeit, dass sich dies nicht zu Lasten des Zweitschädigers auswirken und im wirtschaftlichen Ergebnis zur Erhöhung seiner Haftung führen darf.[3390] Einen anderen Weg geht die Rechtsprechung im Fall des § 1664 BGB. Danach haftet bei einfacher Fahrlässigkeit der Eltern der Zweitschädiger gegenüber dem Kind allein. Ein Gesamtschuldverhältnis, das gestört sein könnte, besteht hier nicht.[3391]

 

Rz. 1166

Die Haftungsmilderung des § 1359 BGB greift nicht ein, wenn es um schadensursächliches Verhalten eines Ehegatten als Führer eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr geht oder als Führer eines ähnlich gefährlichen motorgetriebenen Fahrzeugs, dessen Betrieb eine Lizenz erfordert.[3392] Entsprechendes gilt für die Haftungsmilderung des § 708 BGB im Verhältnis zwischen Gesellschaftern[3393] und für die Haftungsmilderung des § 4 LPartG im Verhältnis zwischen Lebenspartnern.[3394]

 

Rz. 1167

Steht einem Versicherer gegen einen Erstschädiger grundsätzlich ein Regressanspruch zu, nimmt ­er diesen aber aufgrund einer geschäftsplanmäßigen Erklärung nicht in Anspruch, so kann er von dem Zweitschädiger Ersatz nur in dem um den Anteil des Erstschädigers verminderten Umfang verlangen.[3395]

[3384] Vgl. BAG, Urt. v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, Rn 17, juris = NJW 2011, 1096; BAG, Beschl. v. 27.9.1994 – GS 1/89 (A), juris = NJW 1995, 210.
[3385] Vgl. auch Staudinger/Looschelders, BGB, Bearbeitung 2017, § 426 Rn 169.
[3386] Vgl. BR-Drucks 2/20, S. 133 f.
[3387] Vgl. zu dieser: BGH, Urt. v. 17.10.2017 – VI ZR 423/16, Rn 15 f., juris = BGHZ 216, 149.
[3388] Vgl. BR-Drucks 2/20, S. 133.
[3389] Vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1970 – VI ZR 179/68, Rn 8, juris = BGHZ 54, 256.
[3390] Vgl. BGH, Urt. v. 27.6.1961 – VI ZR 205/60, R...

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