Rz. 67

BGH, Urt. v. 18.3.2014 – VI ZR 10/13, VersR 2014, 849

Zitat

BGB § 249; § 254; § 19 2. AVVFStr

a) Die in § 19 Abs. 3 S. 2 der Zweiten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen (2. AVVFStr) v. 11.2.1956 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 38 v. 23.2.1956) enthaltene Anweisung, von ersatzpflichtigen Dritten keine Umsatzsteuer zu erheben, wenn Leistungen zur Beseitigung von Schäden, für die Dritte ersatzpflichtig sind, von einem Unternehmer ausgeführt werden, entfaltet nur im Rahmen der Grundsätze über die Selbstbindung der Verwaltung Außenwirkung. Fehlt es an einer entsprechenden tatsächlichen Verwaltungspraxis, kann der ersatzpflichtige Dritte aus der genannten Vorschrift keine Rechte herleiten.
b) Auch die Bundesrepublik Deutschland kann als Geschädigte die ihr im Rahmen der Schadensbeseitigung tatsächlich angefallene Umsatzsteuer vom Schädiger ersetzt verlangen (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB). Dass ihr ein Teil des Umsatzsteueraufkommens zufließt, ändert daran nichts.
c) Der selbst nicht vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte ist unter dem Gesichts-punkt seiner Obliegenheit zur Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB) auch dann nicht gehalten, Aufträge zur Instandsetzung der beschädigten Sache im Namen des vorsteuerabzugsberechtigten Schädigers zu erteilen, wenn dieser ihm die Abtretung sämtlicher Gewährleistungsansprüche anbietet.

a) Der Fall

 

Rz. 68

Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen verlangte im Namen der Klägerin von den Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Im Juli 2010 beschädigte ein bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherter Lkw der Beklagten zu 2 in Nordrhein-Westfalen die Schutzplanke und die dahinter befindliche Lärmschutzwand der im Eigentum der Klägerin stehenden Bundesautobahn 43. Die vom Landesbetrieb Straßenbau mit den Instandsetzungsarbeiten beauftragten Drittfirmen stellten insgesamt 81.285,78 EUR zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 15.444,30 EUR in Rechnung. Die Haftung der Beklagten stand in Höhe des Nettobetrags nunmehr außer Streit.

Nach mehreren Zahlungen der Beklagten zu 1 hatte die Klägerin erstinstanzlich zuletzt noch die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Umsatzsteuerbetrags und weiterer 5.841,08 EUR, jeweils zuzüglich Zinsen, begehrt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichteten Berufungen der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen erstrebten beide Beklagte zuletzt noch die Klageabweisung in Höhe des Umsatzsteuerbetrags nebst Zinsen.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 69

Das angefochtene Urteil hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Mit Recht hatte das Berufungsgericht die Klage für zulässig erachtet.

Die Klägerin war als Eigentümerin der beschädigten Einrichtungen Inhaberin des streitgegenständlichen Schadensersatzanspruchs und als solche prozess-führungsbefugt. Dass die Verwaltung des fraglichen Autobahnabschnitts gemäß Art. 90 Abs. 2 GG im Wege der Bundesauftragsverwaltung durch das Land Nordrhein-Westfalen erfolgte, stand dem nicht entgegen. Denn die den Ländern durch Art. 90 Abs. 2 GG zugewiesenen Verwaltungsbefugnisse werden durch die Übernahme der Prozessvertretung durch das betroffene Land hinreichend gewahrt (vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2002 – III ZR 287/01, NVwZ 2002, 1535, 1537).

 

Rz. 70

Entgegen den von den Revisionen geäußerten Bedenken wurde die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit wirksam durch den Landesbetrieb Straßenbau vertreten. Die Vertretungsmacht des Landes Nordrhein-Westfalen ergibt sich ohne weiteres aus § 7 Abs. 1 1. AVVFStr. Das Land Nordrhein-Westfalen wiederum wird nach Nr. 7 des Gemeinsamen Runderlasses der Ministerpräsidentin und verschiedener Ministerien über die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen durch seine Dienststellen v. 1.7.2011 (MBl. NRW, S. 246) in der Fassung des Änderungserlasses v. 22.11.2012 (MBl. NRW, S. 723) im Zuständigkeitsbereich des Landesbetriebs Straßenbau durch diesen gerichtlich vertreten. Die Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs fällt in den Zuständigkeitsbereich des Landesbetriebs als Straßenbaubehörde (§ 1 Abs. 2 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Straßenrecht und Eisenbahnkreuzungsrecht v. 26.1.2010, SGV. NRW, S. 125). Eine Beschränkung der aus § 7 Abs. 1 1. AVVFStr folgenden Vertretungsmacht der Länder kann § 19 Abs. 3 S. 2 2. AVVFStr inhaltlich nicht entnommen werden.

 

Rz. 71

Die Klage war auch begründet.

§ 19 Abs. 3 S. 2 2. AVVFStr stand einem Anspruch auf Erstattung des von der Klägerin gezahlten Umsatzsteuerbetrags nicht entgegen (a.A. OLG Dresden, Urt. v. 29.1.2014 – 7 U 792/13, juris Rn 25). Diese Bestimmung sieht zwar vor, einem ersatzpflichtigen Dritten keine Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen, wenn Leistungen zur Beseitigung von Schäden durch Fremdunternehmer ausgeführt werden. Hierauf konnten sich die Beklagten aber nicht berufen.

 

Rz. 72

Da es sich bei Verwaltungsvorschriften nicht um Rechtsnormen handelt, können sie...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge