Rz. 38

Ein solches "Zugeschnittensein auf die Person des Erblassers", das zum Untergang der Rechtsposition führt, liegt nicht deshalb vor, weil es um Rechtspositionen mit höchstpersönlichem oder jedenfalls nicht geschäftlichem Inhalt und ohne Bezug zu einem wirtschaftlichen Wert handelt.

 

Rz. 39

So wie in der realen Welt das Eigentum an Fotographien und Notizbüchern auch dann auf die Erben übergeht, wenn sich auf den Fotos Urlaubsbilder oder Aktfotographien des Verstorbenen oder wenn sich im Notizbuch Tagebuchaufzeichnungen befinden,[48] so gehen auch die auf einem Speichermedium des Erblassers gespeicherten Dateien auf die Erben über, obwohl sich darauf ebensolche Inhalte befinden.[49] Damit darf der Erbe solche Inhalte des Erblassers ebenso lesen wie auf dem Dachboden aufgefundene private Aufzeichnungen. Das Ergebnis hat das LG Berlin[50] wie folgt zusammengefasst: "Das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB gilt auch für die höchstpersönlichen Daten im digitalen Nachlass des Erblassers."

[48] Für Tagebücher BVerfG, Beschl. v. 14.9.1989 – 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367 = NJW 1990, 563; BGH, Urt. v. 26.11.1954 – I ZR 266/52, BGHZ 15, 249 = GRUR 1955, 201, 203.
[49] A.A. Martini, JZ 2012, 1145, 1152.
[50] LG Berlin, Urt. v. 17.12.2015 – 20 O 172/15, ZErb 2016, 109 = ErbR 2016, 223 = ZEV 2016, 189.

1. Die §§ 2047 Abs. 2, 2373 S. 2 BGB

 

Rz. 40

Dass dieser Befund dem Willen des Gesetzgebers entspricht, zeigen insbesondere die Regelungen der §§ 2047 Abs. 2 und 2373 S. 2 BGB auf:

Nach § 2373 S. 2 BGB sind Familienpapiere und -bilder beim Erbschaftskauf im Zweifel als nicht mitverkauft anzusehen. Zu den Familienpapieren und -bildern gehören alle "Urkunden rechtlicher Art, Personenstandsatteste, Korrespondenzen, Briefschaften, Tagebücher, Familiennotizen usw." und zwar unabhängig davon, ob diese Gegenstände wertlos sind oder einen erheblichen Vermögenswert besitzen.[51] Diese Ausnahmeregel ist nur deshalb erforderlich, weil das Gesetz wie selbstverständlich davon ausgeht, dass solche im engsten Sinne höchstpersönlichen Dinge wie das Tagebuch des Erblassers zum Nachlass gehören und damit der Universalsukzession unterfallen.[52]
Derselbe Gedanke kommt in § 2047 Abs. 2 BGB zum Ausdruck,[53] wonach Schriftstücke, die sich auf persönliche Verhältnisse des Erblassers beziehen – auch nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft – gemeinschaftlich bleiben. Auch diese Regelung erklärt sich nur dadurch, dass diese Urkunden mit (höchst-)persönlichem Inhalt zum Nachlass gehören und damit den Erben zustehen.[54]
[51] Prot. II 114.
[52] MüKo-BGB/Musielak, § 2373 BGB Rn 5. Zu den Schlussfolgerungen für den digitalen Nachlass aus dieser Vorschrift Herzog, in: DAV-Stellungnahme Nr. 34/2013, S. 33; so auch LG Berlin, Urt. v. 17.12.2015 – 20 O 172/15, ZErb 2016, 109 = ErbR 2016, 223 = ZEV 2016, 189.
[53] Pruns, NWB 2013, 3161, 3166.
[54] So auch LG Berlin, Urt. v. 17.12.2015 – 20 O 172/15, ZErb 2016, 109 = ErbR 2016, 223 = ZEV 2016, 189.

2. Die Ansicht des KG

 

Rz. 41

Anders sieht das nunmehr das KG:[55]

Zitat

Die "§ 2047 Abs. 2 bzw. § 2373 S. 2 BGB [enthalten] keine Regelung über die Vererbbarkeit nicht vermögensrechtlicher, d.h. höchstpersönlicher Rechtspositionen […]. Denn beide Vorschriften setzen einen stattgefundenen Erbgang aufgrund der dinglichen Verkörperung der höchstpersönlichen Inhalte voraus und regeln nur ihren Verbleib bei den Erben im Falle einer Erbteilung bzw. eines Erbteilverkaufs. Eine eigenständige Vererblichkeit solcher höchstpersönlicher Inhalte regeln diese Vorschriften dagegen nicht."

 

Rz. 42

Richtig daran ist, dass die §§ 2047 Abs. 2, 2373 S. 2 BGB die Vererblichkeit höchstpersönlicher Rechtspositionen nicht unmittelbar regeln, sondern einen stattgefundenen Erbgang voraussetzen. Indem sie ihn voraussetzen, lässt sich ihnen aber auch entnehmen, dass die höchstpersönliche Natur der Inhalte dem Übergang auf die Erben gerade nicht entgegenstehen soll.[56]

[55] KG, Urt. v. 31.5.2017 – 21 U 9/16, ZErb 2017, 225 = ErbR 2017, 496 = ZEV 2017, 386, die Revision ist anhängig beim BGH unter dem Az. III ZR 183/17.
[56] Herzog, ZErb 2017, 205.

3. Genetische Auslegung der §§ 2047 Abs. 2, 2373 S. 2 BGB

 

Rz. 43

Ein weiterer Blick in die Gesetzgebungsmaterialien zu den §§ 2047 Abs. 2, 2373 S. 2 BGB zeigt, dass es gerade dem gesetzgeberischen Konzept und Willen entsprach, auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichem Inhalt über § 1922 BGB auf die Erben übergehen zu lassen. Der Gesetzgeber hat sich seinerzeit ausführlich Gedanken über den ideellen und etwaigen wirtschaftlichen Wert persönlicher Aufzeichnungen des Erblassers gemacht.

So heißt es bei Mugdan[57] zu § 2047 Abs. 2 BGB (Hervorhebungen in den Zitaten jeweils von uns):

Zitat

"An Schriftstücken, welche auf die persönlichen Verhältnisse des Erblassers oder auf dessen Familie oder auf die ganze Erbschaft sich beziehen, haben die Miterben nur wegen der auf denselben befindlichen Schrift ein Interesse. Daher erscheint es gerechtfertigt, die Ausschließung dieser Schriftstücke von der Aufhebung der Gemeinschaft zu bestimmen und deren rechtliches Schicksal nicht nach ihrer Eigenschaft als Sache...

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