Rz. 272

BGH, Urt. v. 23.3.2004 – VI ZR 160/03, VersR 2004, 1045

Zitat

SGB VII §§ 2 Abs. 2, S. 1, 105 Abs. 1, 106 Abs. 3 Alt. 3

Es ist weiterhin in der Regel davon auszugehen, dass derjenige, der Aufgaben wahrnimmt, die sowohl in den Aufgabenbereich seines Unternehmens als auch in denjenigen eines fremden Unternehmens fallen, allein zur Förderung der Interessen seines Unternehmens tätig wird. Erst wenn die Tätigkeit nicht mehr als Wahrnehmung einer Aufgabe seines Unternehmens bewertet werden kann, kann ein Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII aufgrund der Zuordnung der Tätigkeit zu dem fremden Unternehmen in diesem gegeben sein (Fortführung des Senatsurt. v. 24.3.1998 – VI ZR 337/96, NJW 1998, 2365 ff.).

1. Der Fall

 

Rz. 273

Der Kläger verlangte Schadensersatz und die Feststellung der Ersatzverpflichtung des Beklagten hinsichtlich materieller und immaterieller Schäden aufgrund eines Unfalls. Am Unfalltag fuhr der Kläger im Auftrag seiner Arbeitgeberin, der U. Bau GmbH, mit einem Lkw auf das Betriebsgelände der G. Baumaschinen Mietservice GbR (im Folgenden G. GbR), um einen von der U. Bau GmbH gemieteten Kompressor abzuholen. Der Beklagte, der Gesellschafter der G. GbR ist, nahm den etwa 750 kg schweren Kompressor mit einem Gabelstapler auf und begann damit, diesen auf die Ladefläche des Lkw zu heben. Hierbei riss die vom Beklagten angebrachte Befestigung des Kompressors an dem Gabelstapler, der Kompressor fiel herab und prallte auf die rechte Hand des Klägers, der sich auf der Ladefläche befand, um den Kompressor entgegenzunehmen. Er zog sich hierdurch erhebliche Verletzungen zu. Der Kläger behauptete, der Beklagte habe den Unfall schuldhaft dadurch herbeigeführt, dass er den Kompressor unsachgemäß nur mit einem Seil befestigt habe. Mit der vorliegenden Klage begehrte er die Zahlung eines Schmerzensgelds, einer Schmerzensgeldrente sowie die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hatte die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seinen Antrag weiter.

2. Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 274

In diesem neueren Urt. v. 23.3.2004 – VI ZR 160/03 hatte sich der BGH mit dem Verhältnis der Haftungsprivilegien bei so genannten Helferfällen, in denen die Zuordnung von Tätigkeiten zu mehreren Unternehmen in Betracht kommt, zu befassen. Bei § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ist der auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätige Unternehmer nur dann privilegiert, wenn er selbst Versicherter ist. Ist er dies nicht über eine (freiwillige) Versicherung in seinem Unternehmen, stellt sich die Frage, ob man ihm – wie es das Berufungsgericht getan hatte – die Versicherteneigenschaft für die Anwendung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII über eine Hilfstätigkeit für das fremde Unternehmen verschaffen kann.

 

Rz. 275

Die Annahme des Berufungsgerichts, dem Beklagten komme das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII zugute, erwies sich jedoch unter zwei Gesichtspunkten als rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht war zum einen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zu Unrecht davon ausgegangen, der Beklagte habe im Zeitpunkt der Schädigung gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, weil er wie ein Beschäftigter der U. Bau GmbH tätig geworden sei. Selbst wenn sich diese Beurteilung jedoch als zutreffend erwiesen hätte, ergäbe sich eine Haftungsprivilegierung des Beklagten nicht aus § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII, sondern unmittelbar aus § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII.

 

Rz. 276

Zutreffend war das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass sich der Unfall, aus dem der Kläger seine Ansprüche herleitete, auf einer gemeinsamen Betriebsstätte i.S.d. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ereignet hatte.

 

Rz. 277

Das Berufungsgericht hatte darüber hinaus zutreffend angenommen, dass die Haftungsfreistellung des Beklagten nicht an seiner Rechtsstellung als Mitunternehmer des von der G. GbR betriebenen Vermietungsunternehmens scheitert. Zwar erstreckt sich das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII grundsätzlich nicht auf den Unternehmer. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn er, wie im vorliegenden Fall, selbst eine vorübergehende betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet und dabei den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt.

 

Rz. 278

Im Ansatz zutreffend war das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Haftungsprivilegierung dem Schädiger nur dann zugute kommt, wenn er im Zeitpunkt der Schädigung selbst Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung war. Diese Voraussetzung hatte das Berufungsgericht im Streitfall jedoch rechtsfehlerhaft bejaht. Die Revision beanstandete mit Erfolg die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach auch derjenige gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung s...

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