Rz. 14

Der letztlich Gesetz gewordene § 611a BGB definiert den Arbeitnehmer nunmehr mittelbar über die Definition des Arbeitsvertrags. Die Regelung lautet:

 

§ 611a BGB Arbeitsvertrag

(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

I. Begründung der Beschlussempfehlung

 

Rz. 15

Da die Vorschrift ihre jetzige Fassung erst im Ausschuss für Arbeit und Soziales gefunden hat, muss zu ihrem Verständnis vorrangig auf die Begründung der Beschlussempfehlung zurückgegriffen werden. Trotz der teils massiven Änderungen in der redaktionellen Gestaltung lässt sich ergänzend die Begründung des Regierungsentwurfs heranziehen. Die Begründung der Beschlussempfehlung betont insoweit, dass mit der Neufassung keine inhaltliche Änderung verbunden sein sollten. Vielmehr sollten durch die Kodifizierung der Rechtsprechung missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes durch nur vermeintlich selbstständige Tätigkeiten verhindert und die Rechtssicherheit der Verträge erhöht werden.

Im Rahmen der Ausschussberatungen wurde der Regelungsgegenstand gegenüber der Entwurfsfassung an die Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuches angepasst.[22] In dem in Rede stehenden Abschnitt regelt das Bürgerliche Gesetzbuch die Vertragstypen. Deshalb werde nicht mehr auf den Arbeitnehmer, sondern auf den Arbeitsvertrag abgestellt und der Arbeitsvertrag als Unterfall des Dienstvertrages definiert. Inhaltlich sei damit im Verhältnis zur Entwurfsfassung keine Änderung verbunden, da die Begriffsbestimmung zum Arbeitsvertrag den Arbeitnehmer als dessen Vertragspartei umfasse. Außerdem wurde die Vorschrift sprachlich gestrafft. Abweichend von der Entwurfsfassung wurde das Weisungsrecht in § 611a Abs. 1 S. 2 BGB ohne das Merkmal "Dauer" umschrieben. Die Streichung war auf die Kritik zurückzuführen, dass die "Dauer" der Tätigkeit im Sinne des Umfangs der wöchentlichen bzw. monatlichen Arbeitspflicht als vertragliches Kernelement nicht dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Da es dem Gesetzgeber um die Anpassung an § 106 GewO ging, wäre es im Interesse einer vollständigen Synchronisierung folgerichtig gewesen, auch auf das Merkmal der "Durchführung" zu verzichten. Zur Vervollständigung und systematischen Anpassung an das Recht der vertraglichen Schuldverhältnisse des BGB wurde in einen neuen Absatz 2 eine Bestimmung zur Vergütungspflicht aufgenommen. Betont wird, dass die Regelung in § 84 Abs. 1 S. 2 HGB durch die Neufassung unberührt bleibt.

[22] BT-Drucks 18/100064, 16.

II. Inhalt und aktuelle Bedeutung des § 611a BGB

 

Rz. 16

§ 611a Abs. 1 S. 1 BGB legt seit dem 1.4.2017 fest, dass der Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet wird.

Damit wird mittelbar zugleich der Arbeitnehmerbegriff definiert. Arbeitnehmer ist folglich, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. S. 2 ergänzt, dass das Weisungsrecht Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen kann. Damit ist im Grunde der Inhalt des S. 3, nach dem zugleich im Umkehrschluss zu § 84 HGB als weisungsgebunden derjenige erklärt wird, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, schon vorweggenommen. S. 4 nimmt Bezug auf die in Satz 1 bereits als zentrales Merkmal vorgegebene persönliche Abhängigkeit und stellt klar, dass diese auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit abhängt. Gemeint sind damit auch solche Besonderheiten oder Eigenarten einer Tätigkeit, die sich etwa in Branchen und Bereichen ergeben, die Spezifika aufgrund grundrechtlich geschützter Werte aufweisen (wie zum Beispiel aufgrund der Rundfunk-, Presse- oder Kunstfreiheit).[23] In § 611a Abs. 1 S. 5 BGB wird die ständige Rechtsprechung des BAG[24] aufgegriffen, wonach die Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses von anderen Vertragsverhältnissen im Wege einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es gemäß S. 6 auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Auch dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG.[25]

§ 611a Abs. 2 BGB vervollständigt die Reg...

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