Rz. 518

Aus der Vorschrift des § 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO, die die Abtretung einer anwaltlichen Gebührenforderung an einen Dritten, der nicht als Rechtsanwalt zugelassen ist, grds. für unzulässig erklärt, wird von einer Mindermeinung im Schrifttum abgeleitet, die anwaltliche Gebührenforderung sei infolgedessen gem. § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar, soweit nicht die in § 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO genannten Ausnahmevoraussetzungen gegeben seien.[2003] Dies würde entsprechend gelten für die Gebührenforderungen der Steuerberater und -bevollmächtigten sowie der Wirtschaftsprüfer gem. § 64 Abs. 2 StBerG, § 55a Abs. 3 WPO. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

 

Rz. 519

Es befremdet schon auf den ersten Blick, dass die genannten Rechtsberater, die Gläubiger eines Kollegen sind, in dessen Honorarforderungen ohne weiteres vollstrecken könnten; andere Gläubiger der Rechtsberater könnten dagegen nur mit schriftlicher Einwilligung des Mandanten (Gebühren- und Drittschuldners) auf rechtskräftig festgestellte Gebührenforderungen zugreifen, die bei einem ersten Vollstreckungsversuch uneinbringlich waren. Da Gebührenforderungen bei Unpfändbarkeit nicht dem Beschlag im Insolvenzverfahren unterlägen (§ 1 Abs. 1 KO, §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 2 GesO, §§ 35, 36 InsO), wären Außenstände der Rechtsberater dem Zugriff der Gläubiger praktisch entzogen. Danach hätten die – sämtlich 1994 eingeführten – Vorschriften der § 49b Abs. 4 BRAO, § 64 Abs. 2 StBerG, § 55a Abs. 3 WPO ein doppeltes Privileg für Rechtsberater zur Folge, nämlich einerseits eine "Bevorzugung … als Vollstreckungsgläubiger" und andererseits einen "Vollstreckungsschutz durch die Hintertür".[2004]

 

Rz. 520

Zu Recht nimmt die herrschende Meinung[2005] dagegen an, dass Gebührenforderungen von Rechtsanwälten und Steuerberatern grds. pfändbar sind und dem Insolvenzbeschlag unterliegen.

 

Rz. 521

Die Gebührenforderung des Rechtsberaters ist nach § 851 Abs. 1 ZPO pfändbar, weil sie i.S.d. Vorschrift übertragbar ist. Unübertragbar wäre sie nur bei fehlender Verkehrsfähigkeit, also dann, wenn der Rechtsberater die Forderung nicht – auch nicht mit Zustimmung des Mandanten – übertragen könnte. Das ist aber nicht der Fall. Die Verschwiegenheitspflicht der Rechtsberater (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB), die das Recht der Auftraggeber auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) schützen soll (vgl. Rdn 500), hat zur Folge, dass der Rechtsberater seine Honorarforderung ohne Zustimmung des Mandanten grds. nicht übertragen darf. § 851 Abs. 1 ZPO betrifft aber nur den Fall, dass die Forderung rechtlich nicht übertragen werden kann; nicht gleichgestellt ist der Fall, dass die Forderung nicht übertragen werden darf.[2006] Für die Pfändung der Honorarforderung des Rechtsberaters ist dessen Mitwirkung nicht erforderlich (§ 829 ZPO).

 

Rz. 522

Die Pfändbarkeit der Honorarforderungen der Rechtsberater ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des § 851 Abs. 2 ZPO.[2007] Ein Vollstreckungszugriff auf eine solche Forderung verändert nicht deren Inhalt i.S.d. § 399 Fall 1 BGB. Da das Erfordernis der Zustimmung des Mandanten zur Abtretung der Gebührenforderung dessen Datenschutz dient, ist eine Vollstreckung in eine solche Forderung dem in § 399 Fall 2 BGB geregelten Fall vergleichbar, dass die Abtretung durch Vereinbarung – hier des Rechtsberaters – mit dem Schuldner (Mandanten) ausgeschlossen ist. § 851 Abs. 2 ZPO soll verhindern, dass der Vollstreckungsschuldner durch einfache Abrede mit dem Drittschuldner den Gläubigerzugriff vereitelt; dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass das Interesse des Drittschuldners an der Unübertragbarkeit der Forderung den Belangen des Vollstreckungsgläubigers wenigstens insoweit weichen muss, als es diesem nicht verwehrt sein darf, auf die Forderung überhaupt zugreifen zu können.[2008]

 

Rz. 523

Die Datenschutzbelange des Mandanten (Gebühren- und Drittschuldners) können nach Pfändung der Honorarforderung des Rechtsberaters im weiteren Vollstreckungsverfahren gewahrt werden.

Die Erklärungspflicht des Drittschuldners ggü. dem Vollstreckungsgläubiger (§ 840 ZPO) erstreckt sich nur auf die Leistungsbereitschaft, nicht auf die Offenbarung von Mandantengeheimnissen bzgl. der Forderungsgrundlage.[2009]

Die Verpflichtung des Rechtsberaters als Vollstreckungsschuldner, dem Vollstreckungsgläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und die Forderungsunterlagen herauszugeben (§ 836 Abs. 3 ZPO), umfasst nicht die Mitteilung von Tatsachen, zu deren Geheimhaltung der Rechtsanwalt verpflichtet ist.[2010] Dies gilt entsprechend für Angaben im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO.[2011]

 

Rz. 524

Danach verlangt der Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Mandanten (Art. 2 Abs. 1 GG) nicht, dass schon die Pfändung der Gebührenforderung des Rechtsberaters unzulässig ist; vielmehr genügt es dafür, dass die Informationspflicht des Vollstreckungsschuldners ggü. seinem Gläubiger sich i.R.d. Schweigepflicht hält.[2012] Damit wird zu...

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