Rz. 393

Gem. §§ 666, 667, 675 Abs. 1, 611 bzw. 631 BGB ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, dem Auftraggeber alles herauszugeben, was er zur Ausführung des Auftrags erhalten und aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat.[1445] Zur Ausführung des Auftrags erlangt ist alles, was dem Beauftragten zum Zwecke der Geschäftsbesorgung zur Verfügung gestellt worden ist. Aus der Geschäftsbesorgung erlangt ist jeder Vorteil, den der Beauftragte aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem geführten Geschäft erhalten hat.

Anders verhält es sich mit dem (vertraglichen) Arbeitsergebnis des Steuerberaters. Dieses steht im Austauschverhältnis des gegenseitigen Vertrages; es ist nicht i.S.d. §§ 675 Abs. 1, 667 Alt. 2 BGB erlangt, sondern Gegenstand des vertraglichen Erfüllungsanspruchs. Bei den der DATEV übermittelten Datenbeständen kann es sich ebenfalls um Arbeitsergebnisse handeln,[1446] etwa bei erstellten Jahresabschlüssen.

Für Vollmachtsurkunden enthält § 175 BGB eine Sonderregelung. Danach hat der Bevollmächtigte nach dem Erlöschen der Vollmacht die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückzugeben; ein Zurückbehaltungsrecht steht ihm nicht zu.

Der Anspruch aus §§ 666, 667, 675 Abs. 1, 611 bzw. 631 BGB wird regelmäßig mit der Ausführung des einzelnen Auftrags oder spätestens mit der Beendigung des Auftragsverhältnisses fällig. Durch das Erlöschen des Mandats wird der Anspruch nicht berührt. Zu den herauszugebenden Unterlagen zählen auch die Handakten des Rechtsanwalts.[1447] Dies ergibt sich mittelbar auch aus § 50 Abs. 2 BRAO (§ 66 Abs. 2 StBerG; § 51b Abs. 3 WPO).[1448]

Ein Rechtsanwalt, der die Herausgabe von zur Prozessführung benötigten Mandantenunterlagen ohne rechtfertigenden Grund verweigert, verstößt gegen seine zivilrechtliche Herausgabepflicht und begeht zugleich eine grobe Berufspflichtverletzung.[1449]

 

Rz. 394

"Aus der Geschäftsführung erlangt" i.S.v. § 667 BGB ist nicht nur der gesamte drittgerichtete Schriftverkehr des Rechtsanwalts mit dem Auftraggeber, also sowohl die dem Rechtsanwalt zugegangenen Schriftstücke als auch Kopien eigener Schreiben des Rechtsanwalts, sondern sind auch Notizen über Besprechungen, die der Rechtsanwalt i.R.d. Geschäftsbesorgung mit Dritten geführt hat.[1450] Nach dieser Alternative sind auch die vom Beauftragten über die Geschäftsbesorgung selbst angelegten Akten, sonstigen Unterlagen und Dateien – mit Ausnahme von privaten Aufzeichnungen – herauszugeben.[1451] Sofern Notizen die Wiedergabe von Gesprächen enthalten, ist im Regelfall davon auszugehen, dass sie nicht lediglich dem internen Gebrauch des Rechtsanwalts – etwa als bloße Arbeitshilfe oder Gedächtnisstütze –, sondern auch dem Interesse des Auftraggebers zu dienen bestimmt sind, um den Inhalt der für ihn geführten Verhandlungen zu dokumentieren.[1452] Eine Ausnahme gilt für Unterlagen, die nicht lediglich über das Vorgehen i.R.d. Vertragserfüllung Aufschluss geben, sondern persönliche Eindrücke wiedergeben, die der Rechtsanwalt in den betreffenden Gesprächen gewonnen hat.[1453] Die Herausgabepflicht erstreckt sich des Weiteren nicht auf den Briefwechsel zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber,[1454] auf Notizen über Gespräche zwischen diesen[1455] und auf Schriftstücke, die der Mandant schon in Urschrift oder Abschrift erhalten hat (vgl. auch § 50 Abs. 4 BRAO). Zudem ist dem Anwalt bei der Ausführung des Mandats ein gewisser Freiraum zuzuerkennen, vertrauliche "Hintergrundinformationen" zu sammeln, die er auch und gerade im wohlverstandenen Interesse seines Mandanten sowie im Interesse der Rechtspflege diesem ggü. verschweigen darf.[1456]

Hat der Mandant die Unterlagen bereits (in Abdruck) erhalten, aber sind sie ihm später verloren gegangen, kann ein Anspruch auf erneute Herausgabe bestehen.[1457]

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Mandanten steht der Herausgabeanspruch aus § 667 BGB dem Insolvenzverwalter zu.[1458]

Wird die Handakte in elektronischer Form geführt, so kann eine Herausgabe von Ausdrucken nicht verlangt werden, sondern lediglich die Herausgabe eines Datenträgers.[1459] Der Anwalt kann aber auch mit einem Ausdruck seine Herausgabepflicht erfüllen.[1460] Werden die Daten bei einem Dritten gespeichert, so kann auch die Zustimmung zur Datenübertragung ggü. dem Dritten verlangt werden. Dies gilt allerdings nur insoweit, als es Daten des Mandanten sind.[1461]

 

Rz. 395

Ggü. einem Anspruch auf Herausgabe der Handakten – ebenso wie ggü. einem Anspruch auf Einsichtnahme (vgl. Rdn 400–403) – kann sich ein Rechtsanwalt nicht auf seine anwaltliche Schweigepflicht (vgl. Rdn 357–368) berufen. Das Berufsgeheimnis des Rechtsanwalts verfolgt einen anderen Schutzzweck. Es dient nicht dem eigenen Geheimhaltungsinteresse des Rechtsanwalts, sondern ausschließlich dem Auftraggeber.[1462] Eine Ausnahme wird mit Rücksicht auf Art. 12 Abs. 1 GG lediglich für diejenigen Unterlagen gemacht, die persönliche, vertrauliche Hintergrundinformationen des Rechtsanwalts betreffen.[1463] Ohne Bedeutung ist es auch, dass...

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