Rz. 121

Das Gebot des "sichersten Weges" kann vom Anwalt Hilfs- und Vorsorgemaßnahmen verlangen. Dieser muss z.B. damit rechnen, dass – entgegen seiner eigenen Beurteilung – ein Gericht einen tatsächlichen oder rechtlichen Streitpunkt zugunsten des Gegners entscheidet, sodass für diesen Fall Vorkehrungen erforderlich sein können.[587]

 

Rz. 122

Selbst wenn eine geltend zu machende Forderungen nach Ansicht des Rechtsanwalts erst zu einem späten Zeitpunkt verjährt, kann der Anwalt verpflichtet sein, einen früheren Verjährungseintritt in Betracht zu ziehen und im Hinblick darauf eine frühere Unterbrechung der Verjährung zu veranlassen.[588] Dies gilt entsprechend für die Einhaltung einer Klagefrist, wenn deren Beginn unklar ist.[589]

 

Rz. 123

Hält der Rechtsanwalt einen gerichtlichen Hinweis, seine Partei möge mit Gegenansprüchen wenigstens hilfsweise aufrechnen, – mit Recht – für unhaltbar, so hat er doch vorsorglich der Rechtsansicht des Gerichts Rechnung zu tragen.[590]

 

Rz. 124

Hält der Rechtsanwalt eine gerichtliche Anordnung, durch die die Beweiserhebung von der Einzahlung eines Kostenvorschusses durch seine Partei abhängig gemacht wird, für unzutreffend, so muss er doch die Erfüllung dieser Auflage veranlassen,[591] wenn er nicht fristgerecht eine Abänderung der Anordnung erreichen kann.

 

Rz. 125

Ist es nicht auszuschließen, dass ein bestimmtes Rechtsgeschäft der notariellen Beurkundung bedarf, so ist vorsorglich eine entsprechende anwaltliche Empfehlung an den Auftraggeber erforderlich.[592]

 

Rz. 126

Kann ein Rechtsgeschäft unter ein Verbraucherschutzgesetz fallen, so hat der Rechtsanwalt zugunsten eines Mandanten, der Verbraucher im Rechtssinne (§ 13 BGB) ist, auch die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen zu berücksichtigen.[593]

 

Rz. 127

Ist unklar, welcher von zwei Rechtsbehelfen zulässig ist, müssen beide Rechtsbehelfe eingelegt werden.[594] Ist z.B. unklar, ob gegen ein Berufungsurteil die Revision in vollem Umfang oder nur beschränkt auf einen Teil zugelassen worden ist, und betreffen zu erhebende Revisionsrügen auch den womöglich nicht zugelassenen Teil, muss neben der Revision hinsichtlich des Teils, dessentwegen die Revision womöglich nicht zugelassen ist, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden. Das ist am BGH auch ständige Praxis der BGH-Anwälte.

[587] BGH, NJW 1974, 1865, 1866; BGH, WM 1988, 987, 991; BGH, NJW 1993, 2797, 2798; BGH, DB 2006, 1104 (Steuerberater); BGH, 22.3.2006 – IX ZR 140/03, WM 2006, 1304, Tz. 7 ff.
[588] BGH, NJW 1981, 2741, 2742; BGH, NJW 1993, 734, 735; BGH, NJW 1993, 2797, 2798; vgl. BGH, WM 2002, 505, 507; BGH, NJW-RR 2006, 275, 277 (Rechtsbeistand).
[589] BGH, 17.7.2002 – IX ZR 418/98, BRAK-Mitt. 2002, 267 (Zugang einer Kündigung eines Arbeitsverhältnisses).
[590] BGH, NJW 1974, 1865, 1866.
[591] BGH, WM 1988, 987, 990 = NJW 1988, 3013.
[592] Vgl. BGH, VersR 1975, 540, 541; BGH, NJW 1993, 3323, 3324 f.; BGH, VersR 1996, 99, 100 f.
[593] Vgl. BGH, WM 1993, 420, 423 = NJW-RR 1993, 243, für das Abzahlungsgesetz wegen einer Bierbezugspflicht.
[594] Fahrendorf, in: Fahrendorf/Mennemeyer, Rn 603.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge