I. Gesetzliche Regelungen

 

Rz. 1

Die Lohnpfändung zeigt oftmals nicht nur Erfolg durch die unmittelbare Geldleistung des pfändbaren Betrags, sondern sie zeigt auch Wirkung im Hinblick auf die mit der Lohnpfändung verbundenen Folgen für den Schuldner. Selbst der häufigere Besuch des Gerichtsvollziehers ist dem Schuldner oftmals lieber als die Pfändung des Arbeitslohns, mit der unmittelbar sein Arbeitgeber belastet wird. Die Lohnpfändung bereitet dem Arbeitgeber als Drittschuldner durchaus erhebliche Unannehmlichkeiten, die er selbst nicht veranlasst und nicht zu vertreten hat. Der Arbeitgeber wird durch die Bearbeitung der Lohnpfändung personell und kostenmäßig erheblich belastet. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist jedoch regelmäßig kein Grund, das Arbeitsverhältnis fristlos oder fristgerecht zu kündigen.[1] Etwas anderes kann ausnahmsweise nur dann gelten, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb des Drittschuldners eine besondere Vertrauensstellung genießt (Kassierer, leitender Bankangestellter).

Steht der arbeitsrechtliche Ruf oder die Position des Schuldners auf dem Spiel, kann es durchaus sein, dass der Schuldner zu höheren Einmalzahlungen oder Ratenzahlungen an den Gläubiger bereit ist.

 

Rz. 2

Das Arbeitseinkommen des Schuldners kann niemals in voller Höhe gepfändet werden. Eine "Kahlpfändung" des Schuldners würde ihm die regelmäßig einzige Lebensgrundlage entziehen und die Unterhaltsverpflichtung der Allgemeinheit übertragen. Nach dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) muss dem Schuldner immer so viel belassen werden, damit er sich und seiner Familie ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen kann. Dieser Pfändungsschutz ist in den §§ 850850l und §§ 899 ff. ZPO geregelt. Auf der anderen Seite muss aber auch dem berechtigten Interesse des Gläubigers auf Befriedigung seines titulierten Anspruchs Rechnung getragen werden.

 

Rz. 3

 

Schaubild 1: Arbeitseinkommen

Absolut unpfändbar Zweckgebunden (pfändbar für Gläubiger zweckgerichteter Ansprüche) Begrenzt unpfändbar mit Betragsfestlegung Begrenzt unpfändbar ohne Betragsfestlegung
§ 850a Nr. 6–8 § 850a Nr. 5 § 850a Nr. 1, 4 § 850a Nr. 2–3
Erziehungsgeld, Studienbeihilfe "Heirats"-Beihilfe, Geburtsbeihilfe

Hälfte der Überstunden,

Weihnachtsvergütung in begrenzter Höhe nach § 850c I ZPO
Urlaubsgeld, Treuegelder, Gefahrenzulagen, Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder, Zulagen
Sterbe- und Gnadenbezüge      
Blindenzulagen      
 

Rz. 4

 

Schaubild 2: Änderungs- und Schutzvorschriften

§ 850c Abs. 6 § 850d Abs. 2 § 850e Nr. 2, 2a § 850f § 850g § 850i
Ganz oder teilweise Nichtberück-sichtigung eines Unterhaltsberechtigten Rangfolge der Unterhaltsberechtigten nach § 1609 BGB Zusammen-rechnung mehrerer Einkommen Erhöhung/ Ermäßigung der unpfändbaren Teile des Einkommens Änderungen der Unpfändbarkeitsvoraussetzungen Schutz bei Einmalzahlungen
 

Rz. 5

Die gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen regelt im Wesentlichen § 850c ZPO. Hiermit soll sichergestellt werden, dass dem Schuldner, dessen Arbeitseinkommen gepfändet wird, so viel verbleibt, wie er für sich und seine Familie mindestens zum Lebensunterhalt braucht.

[1] Geißler, Rpfleger 1987, 5 ff.

II. Dynamisierung der Pfändungsfreigrenzen

 

Rz. 6

Mit Wirkung zum 1.1.2002 wurde in § 850c Abs. 2a ZPO eine Dynamisierung eingefügt. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PKoFoG) vom 22.11.2020[2] wurden die seit dem 1.7.2019 geltenden Werte (Bekanntmachung zu § 850c ZPO – Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung vom 4.4.2019[3]) fortgeführt und direkt ins Gesetz (§ 850c ZPO) geschrieben (Inkrafttreten am 8.5.2021). Durch die Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2021[4] wurden die Beträge mit Wirkung ab 1.7.2021 angehoben. Die Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen erfolgt seit dem jährlich jeweils zum 1.7. eines jeden Jahres. Die Anpassung zum 1.7.2022 erfolgte durch die Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2022 vom 25.5.2022.[5]

Aktuelle Fassung von § 850c Abs. 4 ZPO:

 

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1. die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2. die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3. die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.

Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

 

Rz. 7

Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass die Freigrenzen nicht – wie in der Vergangenheit – über Jahre der allgemeinen Preissteigerung und wirtschaftlichen Entwicklung hinterherlaufen, sondern kontinuierlich angepasst werden.

[2] BGBl I 2020, 2466.
[3] BGBl I 2019, 443.
[4] BGBl I 2021, 1099.
[5] BGBl I 202...

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