Rz. 314

Arbeitet der Schuldner bei einem Dritten ohne jede Vergütung oder nur gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung, wird zum Schutz des Gläubigers eine angemessene Vergütung fingiert (§ 850h Abs. 2 ZPO).[451] In der Praxis sind diese Fälle dann anzutreffen, wenn der Schuldner gegen ein geringes Taschengeld bei seinem Ehepartner oder die Kinder im Geschäft der Eltern mithelfen. Auf die Art des Arbeitsverhältnisses kommt es hierbei nicht an, es reicht auch eine Teilzeitbeschäftigung aus.[452]

 

Rz. 315

Bei der Bemessung der Vergütung ist stets der konkrete Einzelfall zu berücksichtigen, insbes. sind Art und Umfang der Arbeitsleistung, verwandtschaftliche Beziehung und auch die Leistungsfähigkeit des Drittschuldners zu berücksichtigen.[453] Behauptet der Gläubiger Ansprüche aus verschleiertem Einkommen, genügt er als Prozesspartei seiner Darlegungspflicht grundsätzlich bereits dadurch, dass er diejenigen Umstände vorträgt, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben sollen. Danach ist er verpflichtet, Art und zeitlichen Umfang der Arbeitsleistungen des Schuldners darzulegen und mit seinem Sachvortrag dem Gericht einen Vergleich zwischen der für die behauptete Arbeitsleistung angemessenen Vergütung und der tatsächlich gezahlten Vergütung zu ermöglichen, um das Merkmal der Unangemessenheit des vom Drittschuldner geleisteten Entgelts überprüfen zu können.[454]

 

Rz. 316

Leistet ein Schuldner bei seiner Ehefrau in deren landwirtschaftlichen Betrieb regelmäßig Arbeiten, ist er Kontaktperson für sämtliche Kunden, Lieferanten und sonstige Vertragspartner und wickelt er das Tagesgeschäft eigenständig ab, so kann die Ehefrau als Drittschuldner vom Gläubiger ihres Ehemanns in Anspruch genommen werden. In diesem Fall kann der Gläubiger den fingierten Vergütungsanspruch des Schuldners gegen seine Ehefrau pfänden. Unter Berücksichtigung auf die Art der ausgeübten landwirtschaftlichen Tätigkeit kann ein fiktiver Vergütungsanspruch in Höhe von 2.000,00 EUR – netto – angenommen werden.[455]

 

Rz. 317

Gerade bei Arbeitsverhältnissen im engeren Verwandtenkreis kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass der Schuldner dem Drittschuldner einen Teil seiner Arbeitsleistung unentgeltlich zuwenden will. In einem wirtschaftlich leistungsfähigen Betrieb darf der Anteil der unentgeltlichen Zuwendung jedoch nicht dazu führen, dass die gewährte Vergütung objektiv in einem auffälligen Missverhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung steht. Ein solches Missverhältnis besteht, wenn die Divergenz zum üblichen Tariflohn mehr als 30 % beträgt.[456]

 

Rz. 318

Als angemessene Vergütung gilt das Arbeitseinkommen als geschuldet, wobei sich der pfändbare Betrag aus der amtlichen Lohnpfändungstabelle zu § 850c ZPO ergibt.

 

Rz. 319

Bei der Frage, ob die Bezüge des Vorstands einer Aktiengesellschaft unangemessen niedrig sind, kommt es vor allem auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens und auf die Art der Tätigkeit des Vorstands an. Befindet sich das Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, kann es dennoch angemessen erscheinen, dem Vorstand hohe Bezüge zu zahlen, wenn dessen Tätigkeit im Hinblick auf die Zukunft des Unternehmens mit besonderer Verantwortung und mit besonderen Anforderungen verbunden ist.[457]

 

Rz. 320

Auch verschleiertes Arbeitseinkommen gehört in Höhe des pfändbaren Teils der angemessenen Vergütung zur Insolvenzmasse. Insoweit wird die Masse zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger um den pfändbaren Teil des verschleierten Arbeitseinkommens erweitert. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet, verliert die Pfändung des pfändbaren Teils des verschleierten Arbeitseinkommens ihre Wirkung. Den pfändbaren Teil der angemessenen Vergütung kann danach nur noch der Treuhänder beanspruchen.[458]

 

Rz. 321

Pfändet ein Unterhaltsgläubiger, muss das Vollstreckungsgericht die Pfändungsfreibeträge, die dem Schuldner zu belassen sind, nach § 850d ZPO im Pfändungsbeschluss bereits festlegen.

[451] BGH v. 8.3.1979 – III ZR 130/77, NJW 1979, 1601; OLG Düsseldorf v. 1.12.1988 – 8 U 47/88, NJW-RR 1989, 390.
[452] OLG Oldenburg v. 5.4.1994 – 12 U 4/94, Nds. Rpfl. 1994, 306 = JurBüro 1995, 104 = MDR 1995, 344; LG Berlin v. 3.4.1996 – 81 T 193/96, Rpfleger 1996, 360; LAG Hamm v. 24.7.1996 – 2 Sa 1697/95, JurBüro 1997, 273.
[453] OLG Düsseldorf v. 1.12.1988 – 8 U 47/88, NJW-RR 1989, 390; LAG Hamm v. 22.9.1992 – 2 Sa 1823/91, ZIP 1993, 610; LAG Hamm v. 24.7.1996 – 2 Sa 1697/95, JurBüro 1997, 273: 4.000,00 DM fiktives Nettoeinkommen, für Geschäftsführertätigkeit in der Firma der Ehefrau, bei einem Jahresumsatz von 6,5 Mio. DM.
[456] LAG Hamm v. 22.9.1992 – 2 Sa 1823/81, ZIP 1993, 610.

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