Rz. 196

Treffen mehrere Pfändungen nach § 850c ZPO aufeinander, gilt der Grundsatz der Priorität; derjenige Gläubiger, dessen Pfandrecht zuerst wirksam geworden ist, wird auch zuerst befriedigt. Werden mehrere Pfändungen gleichzeitig wirksam, sind sie nach dem Verhältnis der Forderungen aufzuteilen.

 

Rz. 197

Dieser Grundsatz gilt auch in dem Fall des Zusammentreffens einer "normalen" Pfändung mit einer bevorrechtigten Unterhaltspfändung nach § 850d ZPO. Da die bevorrechtigte Unterhaltspfändung das Arbeitseinkommen des Schuldners jedoch in wesentlich größerem Maße erfasst, ist hierbei zu unterscheiden:

der grds. pfändbare Betrag nach der amtlichen Tabelle zu § 850c ZPO (gesetzlicher Pfändungsbereich) und
der darüber hinausgehende weitere pfändbare Betrag aufgrund einer bevorrechtigten Unterhaltspfändung nach § 850d ZPO (Vorrechtsbereich).
 

Rz. 198

Schaubild 3: Vorrechtsbereich

 
gesetzlicher Pfändungsbereich § 850c ZPO

Vorrechtsbereich § 850d ZPO

der über den gesetzlichen Pfändungsbereich hinausgehende weitere pfändbare Betrag für eine bevorrechtigte Unterhaltspfändung
Prioritätsprinzip § 804 Abs. 3 ZPO Rang § 850d Abs. 2 ZPO i.V.m. § 1609 BGB
 

Rz. 199

 

Beispiel 1

Gläubiger A pfändet nach der amtlichen Lohnpfändungstabelle das Arbeitseinkommen des Schuldners. Dieser ist verheiratet und hat zwei eheliche Kinder und ein nichteheliches Kind. Bei einem monatlichen Netto-Einkommen von 2.700,00 EUR sind somit bei Berücksichtigung von vier unterhaltsberechtigten Personen monatlich 6,50 EUR pfändbar.

Zeitlich später wird der Pfändungsbeschluss des nichtehelichen Kindes wegen Unterhaltsrückstand und einem monatlichen laufenden Unterhalt von 375,00 EUR dem Drittschuldner zugestellt. In dem Pfändungsbeschluss wurde dem Schuldner ein Freibetrag von 900,00 EUR zuerkannt und festgestellt, dass der Mehrbetrag zu weiteren 2/3 unpfändbar ist. Für den Unterhaltsgläubiger sind somit monatlich 600,00 EUR pfändbar.

 

Rz. 200

Im Bereich der Pfändungsfreibeträge nach § 850c ZPO ist der erste Pfändungsbeschluss jedoch nach wie vor vorrangig über 6,500 EUR (gesetzlicher Pfändungsbereich). An den Unterhaltsgläubiger ist somit nur die Differenz zwischen 600,00 EUR minus 6,50 EUR = 593,50 EUR auszuzahlen (Vorrechtsbereich).[322]

 

Rz. 201

Der bevorrechtigte Unterhaltsgläubiger kann im gesetzlichen Pfändungsbereich nicht den Rang des zuerst pfändenden Gläubigers zerstören. Er erhält aber dennoch einen Pfändungsbetrag überwiesen, da seine Pfändung das Arbeitseinkommen umfangreicher erfasst (Vorrechtsbereich).

 

Rz. 202

 

Beispiel 2

Hat wie im zuvor genannten Beispiel 1 der Unterhaltsgläubiger die Pfändung zuerst erwirkt, werden an ihn nunmehr monatlich 600,00 EUR ausgezahlt. Der nachrangige "normale" Gläubiger, dem monatlich 6,50 EUR zustehen, erhält vorerst keine Zuteilung. Er wird von der erstrangigen und bevorrechtigten Unterhaltspfändung zunächst verdrängt (sowohl im gesetzlichen als auch im Vorrechtsbereich).

 

Rz. 203

 

Hinweis

Wird der Pfändungsgläubiger mit einer solchen Situation konfrontiert, muss er auf eine umfassende Auskunftspflicht des Drittschuldners nach § 840 ZPO bestehen. Der Drittschuldner muss unbedingt angeben, wegen welcher Beträge und aufgrund welchen Vorrangs gepfändet wird und welche Beträge an den Unterhaltsgläubiger monatlich ausgezahlt werden. Danach muss der Gläubiger einen Verrechnungsantrag nach § 850e Nr. 4 ZPO stellen. Der Unterhaltsgläubiger soll hiernach in erster Linie aus dem Vorrechtsbereich nach § 850d ZPO befriedigt werden (s. nachfolgend Rdn 207).

[322] Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, § 850e Rn 15.

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