Rz. 26

§ 3 BORA regelt seit dem 1.8.2022/1.6.2023:

Zitat

"(1) 1Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte dürfen keine widerstreitenden Interessen vertreten. 2Sie dürfen in einem laufenden Mandat auch keine Vermögenswerte von der Mandantin oder dem Mandanten und/oder der Anspruchsgegnerin oder dem Anspruchsgegner zum Zweck der treuhänderischen Verwaltung oder Verwahrung für beide Parteien entgegennehmen."

 

Rz. 27

Diese Vorschrift ist nicht zu unterschätzen, schützt sie Anwälte und Anwältinnen doch vor erheblichen Problemen:

 

Rz. 28

 

Beispiel

Es wird im Rahmen einer "Vierer-Besprechung" (getrennt lebende Ehegatten und ihre Anwälte) ein Vertrag geschlossen, der auch notariell beurkundet wird. Das hälftige Eigentum des gemeinsamen Hauses wird auf den Ehemann übertragen. Nach der notariellen Vereinbarung erhält dieser alle Schlüssel zum Haus, sobald die vereinbarte Summe von 350.000 EUR auf das Anderkonto des Anwalts der Ehefrau überwiesen wurde. Es wird aufgenommen, dass der Ehemann sodann den Zustand des Hauses prüft und, sofern alles in Ordnung ist, eine Freigabe zur Auszahlung des Geldes gegenüber dem Anwalt seiner Ehefrau erklärt. Problem?

 

Rz. 29

§ 3 BORA verbietet eine solche Vorgehensweise. Denn der Anwalt der Ehefrau würde mit diesem Vertrag die Rechte auch des Ehemannes wahrnehmen, da er das Geld verwaltet und er es nur an seine Mandantin auszahlen darf, wenn die Freigabe des Gegners kommt. Unabhängig davon, dass auch die Pflichten nach dem Geldwäschegesetz zu beachten sind,[7] drohen hier massive Probleme (nur beispielhaft, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt):

Was ist, wenn die Freigabe nicht erklärt wird?
Was ist, wenn die Freigabe wegen behaupteter Schäden nur teilweise erklärt wird?
Was ist, wenn die Freigabe erst nach Wochen erklärt wird?
 

Rz. 30

Solche Regelungen sollte man daher grundsätzlich nicht treffen, weil sie sich schon berufsrechtlich verbieten, aber eben auch zahlreiche weitere Probleme aufwerfen können. Zum einen sollte/kann die Übergabe einer Immobilie – ähnlich wie bei einer Abnahme einer Mietwohnung – unter Zeugen zu einem bestimmten Zeitpunkt im Beisein beider Ehegatten protokolliert erfolgen (Übergabeprotokoll mit Zählerständen, erfolgter Übergabe von Unterlagen (Baupläne, Bauvertrag, Energieausweis, ggf. Mietverträge, etc.), Rechnungen (Aufbewahrungspflichten beachten) u. Schlüsseln (vollständig), Klärung der Versicherungsfragen, Feststellung vorhandener Schäden, ggf. unter Inanspruchnahme eines Gutachters für die Hausübergabe. Zum anderen kann durch Sanktions- und Folgeregelungen in der Vereinbarung die Notwendigkeit der treuhänderischen Verwaltung so hoher Beträge vermieden werden. Inwieweit Anwälte ihre Mandanten auch bei der Abwicklung von Immobilienübertragungen begleiten wollen, müssen diese für sich entscheiden. Hier sollte Klarheit zwischen Anwalt/Anwältin und dem Mandanten geschaffen werden, wann das Mandant endet und welche Tätigkeiten nicht mehr umfasst sind.

[7] Siehe dazu: https://www.brak.de/anwaltschaft/berufsrecht/geldwaeschepraevention/#c8442 (letzter Abruf: 19.2.2023); sollte der Link bei Drucklegung nicht mehr aktuell sein, erhalten Sie entsprechende Informationen sowohl über die Seite der BRAK (www.brak.de) bzw. der für Sie zuständigen RAK.

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