Rz. 94

Die VVG-Reform hat für die Kaskoversicherung zu einer Abschaffung des "Alles-oder-nichts-Prinzips" geführt. Stattdessen sieht § 28 Abs. 2 S. 2 VVG nun vor, dass der Versicherer im Falle einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Inwieweit eine Kürzung möglich ist, ist umstritten und wird durch die Rechtsprechung für die einzelnen Obliegenheiten zu entscheiden sein.

 

Rz. 95

In der Kraftfahrthaftpflichtversicherung ist gem. § 5 Abs. 3 KfzPflVV die Leistungsfreiheit bei Verletzung einer Obliegenheit vor Eintritt des Versicherungsfalls ohnehin auf einen Betrag in Höhe von 5.000 EUR begrenzt. In der Literatur wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass der Versicherungsnehmer durch die Begrenzung nach der KfzPflVV schon derart geschützt werde, dass die Kürzung nach § 28 Abs. 2 S. 2 VVG in der Kraftfahrthaftpflichtversicherung gar nicht zur Anwendung kommen soll.[125] Überwiegend wird indes die Auffassung vertreten, dass zunächst § 28 Abs. 2 S. 2 VVG zur Anwendung komme und der Höchstbetrag von 5.000 EUR lediglich die Kappungsgrenze des zuvor gequotelten Gesamtbetrags darstelle.[126]

Dabei spricht wegen der ohnehin gesetzlich geregelten Limitierung des Rückgriffs vieles dafür, § 28 Abs. 2 S. 2 VVG in der Kraftfahrthaftpflichtversicherung überhaupt nicht anzuwenden. Dafür spricht auch, dass schon nach altem Recht bei einem Regress des Versicherers in der KH-Versicherung wegen Verletzung einer Obliegenheit aufgrund der Rechtsfolge der lediglich beschränkten Leistungsfreiheit keine Relevanz erforderlich war. Insoweit handelt es sich bei der hier vertretenen Auffassung aber nicht um die herrschende Meinung. Überwiegend wird eine Kürzungsquote entsprechend der Schwere des Verschuldens bestimmt, die dann in Relation zu dem von dem KH-Versicherer regulierten Gesamtschaden gesetzt wird. Im Anschluss wird eine Kappung durch die Höchstgrenze für den Regress vorgenommen ("Quote vor Regress").[127]

[125] Mergner, NZV 2007, 385, 388.
[126] Prölss/Martin, § 28 VVG Rn 141 m.w.N.; LG Saarbrücken r+s 2013, 275; LG Bochum zfs 2012, 573.
[127] Vgl. MüKo-Straßenverkehrsrecht, Bd. 2, D.2 AKB Rn 26.

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