Rz. 459

In Deutschland existieren – anders als etwa in den USA – bislang nur vereinzelt gesetzliche Regelungen über die Einführung von Compliance-Richtlinien, etwa in den Aufsichtsvorschriften für die Finanzwirtschaft.[1233] Nach einer Entscheidung des LG München soll allerdings – unabhängig von den Vorgaben des DCGK[1234] – aus den aktienrechtlichen Vorschriften eine Compliance-Pflicht des Vorstands folgen. Dieser habe im Rahmen seiner Legalitätspflicht dafür Sorge zu tragen, dass das Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt werde, dass keine Gesetzesverstöße erfolgten. Seiner Organisationspflicht genüge der Vorstand bei entsprechender Gefährdungslage nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichte.[1235]

 

Rz. 460

Arbeitsrechtlich umsetzen lassen sich Ethikrichtlinien sowohl individualrechtlich qua Direktionsrecht oder arbeitsvertraglicher Regelung[1236] als auch kollektivrechtlich, insbesondere im Wege einer Betriebsvereinbarung. Die Beteiligung des Betriebsrats ist dabei unabhängig von der Art der Umsetzung unumgänglich, soweit die einzuführenden Richtlinien mitbestimmungspflichtig sind.[1237]

 

Praxistipp

Die Einführung von Ethikrichtlinien im Wege einer Betriebsvereinbarung kann aufwendige Verhandlungs- und Zustimmungsverfahren mit den einzelnen Arbeitnehmern vermeiden und ermöglicht im weiteren Verlauf auch anpassende bzw. ablösende Vereinbarungen mit nur einem Verhandlungspartner. Sie bietet zudem in den Grenzen des § 75 BetrVG eine gewisse Richtigkeitsgewähr.[1238] Allerdings gilt sie weder für Leitungsorgane noch für leitende Angestellte. In betriebsratslosen Unternehmen ist dagegen eine individualrechtliche Umsetzung mit allen Arbeitnehmern zwingend.

[1233] Hierzu Steffen/Stöhr, RdA 2017, 43.
[1234] Gemäß Grundsatz 5 des Deutschen Corporate Governance Codex 2020 hat der Vorstand für die Einhaltung der gesetzlichen ­Bestimmungen und der internen Richtlinien zu sorgen und auf deren Beachtung im Unternehmen hinzuwirken.
[1235] LG München 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZA 2014, 345 f.; s. auch Arnold, ZGR 2014, 78 ff.; Stück, GmbHR 2016, 561.
[1236] Ausführlich hierzu Kempter/Steinat, NZA 2017, 1505, 1509 f.; Steffen/Stöhr, RdA 2017, 43. 45 f.; Stück, GmbHR 2016, 561, 563 f.
[1237] Steffen/Stöhr, RdA 2017, 43, 47.
[1238] Kempter/Steinat, NZA 2017, 1505, 1509.

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