1. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts

 

Rz. 121

Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen, sog. angemessener Unterhalt, § 1610 Abs. 1 BGB. Hinsichtlich des Verhältnisses der Kinder zu den Eltern prägen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern die Lebensstellung des Kindes und bestimmen damit das Maß des diesem zustehenden Unterhalts i.S.v. § 1610 BGB.[119]

 

Rz. 122

Kinder leiten ihren Lebensbedarf von den wirtschaftlichen Verhältnissen ihrer Eltern ab, weil sie grundsätzlich – noch – über keine eigene Lebensstellung verfügen.[120] Die eigene Lebensstellung erlangen Kinder erst, wenn sie durch eigene Einkünfte und/oder durch eigenes Vermögen wirtschaftlich selbstständig werden.

 

Rz. 123

Erreicht das volljährige Kind nach Abschluss seiner Ausbildung bereits eine eigene Lebensstellung und wird es sodann unterhaltsbedürftig, teilt es nicht mehr die Lebensstellung seiner Eltern. Das Maß des Unterhalts bestimmt sich dann konkret nach seiner eigenen Lebensstellung.[121]

Ein Kind, gleichgültig ob es noch minderjährig oder schon volljährig ist, hat dann keine eigene Lebensstellung erreicht, wenn es noch auf die ihm von seinen Eltern zur Verfügung gestellten Mittel angewiesen ist. In diesen Fällen richtet sich der Bedarf des Kindes nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern.[122]

[119] BGH FamRZ 2002, 815; BGH FamRZ 1988, 1039.
[120] BGH FamRZ 1986, 151.
[121] OLG Bamberg FamRZ 1994, 255; OLG Karlsruhe FamRZ 1986, 496; Kleffmann/Klein/Eder, § 1610 BGB Rn 10; MAH/Götz, Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht, § 7 Rn 77.
[122] BGH FamRZ 1997, 281; Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 203; Palandt/Brudermüller, § 1610 BGB Rn 6.

2. Regelbedarf, Existenzminimum und luxuriöse Lebensstellung

a) Grundsätze zum unterschiedlichen Bedarf

 

Rz. 124

Der unterschiedliche Bedarf von Kindern entsprechend den unterschiedlichen Lebensstellungen der Eltern ist zusammengefasst in der Düsseldorfer Tabelle, die seit dem 1.1.1979 vom OLG Düsseldorf herausgegeben wird.[123]

Die Düsseldorfer Tabelle hat derzeit den Stand vom 1.1.2022 und beruht auf der am 1.1.2008 in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsänderung.[124]

Die Düsseldorfer Tabelle baut seitdem auf dem in § 1612a Abs. 1 BGB festgelegten gesetzlichen Mindestunterhalt auf. Die Richtsätze der ersten Einkommensgruppe der Tabelle entsprechen jeweils dem gesetzlichen Mindestunterhalt. Dieser Mindestunterhalt richtet sich wiederum nach dem doppelten Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) nach § 32 Abs. 6 S. 1 des EStG.

Die Düsseldorfer Tabelle wird hinsichtlich des Kindesunterhalts von allen Oberlandesgerichten angewendet, jedoch im Einzelnen auch modifiziert.

Feste Bedarfssätze werden für volljährige Kinder mit eigenem Haushalt, also vor allem Studenten, festgelegt.

 

Rz. 125

Die Düsseldorfer Tabelle regelt den Kindesunterhalt vom Existenzminimum bis zu sehr guten Einkommensverhältnissen von bis zu 11.000,00 EUR netto monatlich der Eltern.

Sie teilt sich faktisch in elf Einkommensgruppen und in vier Altersstufen auf. Die Einkommensgruppen erfassen nach dem Stand vom 1.1.2022 Monatseinkommen von bis zu 1.900,00 EUR in der Gruppe 1 bis zu 11.000,00 EUR in der Gruppe 15. Sie beziehen sich auf das sog. bereinigte Nettoeinkommen. Dabei ist das Bruttoeinkommen um die unterhaltsrechtlich relevanten Abzüge zu bereinigen,[125] das sind beim Kinderunterhalt Einkommen- und Kirchensteuer, Vorsorgeaufwendungen für Alter und Krankheit, berufsbedingte Aufwendungen Nichtselbstständiger (nach Anm. A. 3 der DT eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens, höchstens aber 150,00 EUR), konkreter Mehrbedarf wegen Krankheit oder Alters sowie berücksichtigungsfähige Schulden.

Die erste Einkommensgruppe hat einen für die Dynamisierung bedeutsamen Vomhundertsatz von 100 %, der dann je Einkommensgruppe um 5 % bis zur 5. Einkommensgruppe einschließlich und dann um jeweils 8 % je Einkommensgruppe bis zum Höchstsatz von 200 % steigt.

Dieser Höchstsatz beruht auf einer neueren Entscheidung des BGH: Der BGH[126] hat durch Beschl. v. 16.9.2020 unter Aufgabe früherer Rechtsprechung[127] erklärt, dass eine "begrenzte Fortschreibung der in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Bedarfsbeträge bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin (zurzeit ausgewiesenen Einkommensbetrags" möglich ist.

 

Rz. 126

Die Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle decken den gesamten Lebensbedarf ab. Deshalb sind Sonderausgaben, die z.B. anlässlich eines Geburtstages anfallen, bereits einbezogen. Regelmäßiger Mehrbedarf oder auch unvorhergesehen auftretender Sonderbedarf ist ggf. gesondert auszugleichen.

Ebenfalls einbezogen in die pauschalen Beträge der Düsseldorfer Tabelle sind Ferienzeiten, bei denen das Kind einige Wochen bei dem barunterhaltspflichtigen Elternteil verbringt. Anders ist die Situation lediglich dann, wenn sich der regelmäßige Aufenthalt bei dem anderen Elternteil einem Wechselmodell mit gleicher Betreuungszeit annähert. Dann könnte eine Herabgruppierung in der Düsseldorfer Tabelle in Betracht kommen. Ebenso kommt eine Höherstufung in Betracht.

Jeweils ist das Ergebnis nämlich zusätzlich auf seine Angemessenh...

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