Rz. 799

Der BGH[1092] hat für diejenigen Fälle, in denen das Kind nach der Hochschulreife zunächst eine praktische Ausbildung durchlaufen hat, und die Eltern sodann ein sich hieran anschließendes Hochschulstudium finanzieren sollen (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle), in gefestigter Rechtsprechung Grundsätze entwickelt. Danach umfasst der Unterhalt für eine letztlich doch einheitliche Berufsausbildung auch die Kosten eines Hochschulstudiums, wenn schon zu Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung im Wege eines Studiums angestrebt war, wenn dieses mit den vorangegangenen Ausbildungsabschnitten in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht, und wenn die Finanzierung des Ausbildungsgangs den Eltern wirtschaftlich zumutbar ist. Selbst wenn die Voraussetzungen für eine gestufte Ausbildung oder eine Zweitausbildung aus persönlichen Gründen nicht vorliegen, kann sich ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt ergeben, wenn bislang eine angemessene Ausbildung noch nicht gewährt worden ist.[1093]

 

Rz. 800

Diese Rechtsprechung zum Ausbildungsunterhalt in den sog. Abitur-Lehre-Studium-Fällen ist allerdings nicht auf Ausbildungsabläufe übertragbar, in denen nach einem Realschulabschluss zunächst eine Lehre, dann die Fachoberschule und später die Fachhochschule absolviert wird. In solchen Fällen ist nur dann von einer einheitlichen, von den Eltern zu finanzierenden Berufsausbildung auszugehen, wenn schon bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich des späteren Studiums angestrebt wurde.[1094] Der Unterschied zu den sog. Abitur-Lehre-Studium-Fällen besteht nach Auffassung des BGH darin, dass die Eltern eines Kindes, das einen Real-Schulabschluss absolviert hat, anders als die Eltern eines Kindes, das mit dem Abitur von Anfang an die Zugangsberechtigung zum Studium oder einer vergleichbaren weiterführenden theoretischen Ausbildung angestrebt hat, nicht damit rechnen und sich insbesondere in ihrer eigenen Lebensplanung nicht (rechtzeitig) darauf einstellen konnten, dass eine weiterführende theoretische Ausbildung erfolgt.

[1092] Grundlegend BGH FamRZ 1977, 629 = BGH FamRZ 1989, 853 (Nr. 134); 1995, 416 f. m.w.N.; zuletzt BGH FamRZ 2000, 420 = FuR 2000, 92; FamRZ 2001, 1601 = FuR 2001, 529.
[1094] BGH FamRZ 2006, 1100 im Anschluss an BGH FamRZ 1991, 320, 321 f.

(1) Einzelne mehrstufige Ausbildungsgänge

 

Rz. 801

Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt erstreckt sich grundsätzlich nur auf eine Ausbildung. Da Ausbildungsunterhalt für die Dauer einer Ausbildung nur insgesamt bejaht oder verneint werden kann,[1095] ist eine einheitliche Ausbildung – keine Zweitausbildung![1096] – aufgrund geänderten Ausbildungsverhaltens[1097] auch dann (noch) anzunehmen, wenn sie aus mehreren, an sich selbstständigen Ausbildungsabschnitten besteht (sog. mehrstufige Ausbildung), sofern diese inhaltlich miteinander korrespondieren (fachlicher Zusammenhang) und in zeitlich enger Abfolge absolviert werden (zeitlicher Zusammenhang). Eine solche gestufte Ausbildung setzt eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung voraus.[1098] So knüpft regelmäßig ein Hochschulstudium an eine andere Ausbildung an (Ausbildungswege: Abitur-Lehre/Volontariat/Studium bzw. Haupt- oder Realschule/Lehre/Abitur/Studium),[1099] kann aber auch die Weiterbildung eines Handwerkers zum Meister umfassen.[1100]

 

Rz. 802

Die Anforderungen hinsichtlich der Angemessenheit einer weiteren Ausbildung bedürfen mit zunehmendem Alter des Kindes der besonders sorgfältigen Prüfung.[1101] Der weitere Abschnitt einer mehrstufigen Ausbildung setzt erst recht entsprechende Begabung, Fähigkeiten, beachtenswerte Neigungen und den Leistungswillen des Unterhalt begehrenden Kindes voraus.[1102] Je älter ein Kind bei Aufnahme einer Ausbildung ist, und je eigenständiger es seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt die Elternverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg zurück. Diese Voraussetzungen fehlen, wenn Ausbildungs-Teilziele[1103] nicht, nur nach langer Zeit[1104] oder nur durch Wiederholungen von Prüfungen erreicht wurden.[1105] Andererseits verhindert das Nichtbestehen eines sprachlichen Tests im Rahmen einer betrieblichen Fortbildung während des ersten (praktischen) Ausbildungsabschnitts nicht die Aufnahme eines Sprachenstudiums.[1106]

[1095] BGH FamRZ 1990, 149.
[1096] BGH FamRZ 1977, 629.
[1097] BGH FamRZ 1989, 853 (Nr. 221); OLG Bremen FamRZ 1989, 892; OLG Stuttgart FamRZ 1996, 181.
[1098] BVerwG FamRZ 1978, 72.
[1099] KG FamRZ 1994, 1055; OLG Brandenburg FamRZ 1997, 1107.
[1100] OLG Stuttgart FamRZ 1996, 1435.
[1101] BGH FamRZ 1998, 671 = FuR 1998, 216 = FuR 2000, 92.
[1102] OLG Schleswig FamRZ 1992, 593.
[1103] OLG Stuttgart NJW 1979, 1166.
[1104] OLG Köln NJWE-FER 1999, 178.
[1105] OLG Karlsruhe FamRZ 1990, 1386; OLG Oldenburg FamRZ 1985, 128.

(a) Mehrstufiger Ausbildungsweg Abitur-Lehre/Volontariat-Studium/Bachelor-Master

 

Rz. 803

Für den mehrstufigen Ausbildungsweg Abitur-Lehre/Volontariat-Studium kommt es nicht darauf an, dass die Entscheidung zur Weiterbildung schon ...

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