Rz. 827

Massive Verletzungen des Gegenseitigkeitsverhältnisses führen von selbst zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs, ohne dass dies an die besonderen Verwirkungsvoraussetzungen des § 1611 Abs. 1 gebunden wäre.[1160] Diese Rechtsfolge darf nicht mit den Rechtsfolgen gem. § 1611 Abs. 2 (Verwirkung eines Anspruchs) verwechselt werden:[1161]

 

Rz. 828

§ 1611 regelt Fallgestaltungen sittlichen Verschuldens und setzt systematisch bereits voraus, dass dem Kind ein Unterhaltsanspruch zwar grundsätzlich zusteht, dieser aber aufgrund eines bestimmten negativ zu bewertenden Verhaltens des Kindes ausgeschlossen ist. Die Zurechnung fiktiver Einkünfte[1162] in bedarfsdeckender Höhe lässt vielmehr bereits die Bedürftigkeit und damit die Voraussetzungen für das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs entfallen, den der Anwendungsbereich des § 1611 Abs. 1 aber gerade voraussetzt.[1163]

 

Rz. 829

Verletzt ein unterhaltsberechtigtes (volljähriges) Kind nachhaltig Ausbildungsobliegenheiten, zeigt es insb. keine Mitwirkung bei seiner schulischen oder beruflichen Ausbildung,[1164] oder verletzt es nachhaltig seine Obliegenheit, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen,[1165] dann büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen.[1166]

 

Rz. 830

Je nach konkreter Situation kann eine grundlose und durch den Unterhaltsgläubiger zu vertretende mehrjährige Unterbrechung der Ausbildung[1167] dazu führen, dass ein Unterhaltsanspruch auf Dauer entfällt,[1168] sofern nicht ausnahmsweise den Eltern die Zahlung von Ausbildungsunterhalt nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen noch zumutbar ist.[1169]

 

Rz. 831

Allerdings kann ein erloschener Unterhaltsanspruch ausnahmsweise wieder aufleben, wenn die Ausbildung mit erhöhtem Leistungswillen nunmehr zielstrebig weitergeführt oder erneut aufgenommen wird, und wenn ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist.[1170]

[1160] BGH FamRZ 1998, 671, 672.
[1161] OLG Stuttgart FamRZ 1997, 447; OLG Hamburg FamRZ 1995, 959.
[1165] OLG Frankfurt FuR 2002, 546.
[1166] BGH FamRZ 1984, 777; 1993, 1057, 1059 m.w.N.; 1998, 621; 1998, 671 = FuR 1998, 216; OLG Hamm FamRZ 1986, 198; OLG Frankfurt FamRZ 1986, 498; OLG Zweibrücken FamRZ 1985, 92; OLG Celle OLGR 2004, 209.
[1167] OLG Frankfurt FamRZ 1994, 1611.
[1168] OLG Naumburg FamRZ 2001, 440.
[1169] OLG Stuttgart FamRZ 1996, 181.
[1170] OLG Frankfurt FamRZ 1986, 498; OLG Stuttgart FamRZ 1996, 181; OLG Schleswig FamRZ 1986, 201; OLG Zweibrücken FamRZ 1980, 1058.

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