Rz. 30

 

Beispiel

Der Onkel Otto hat in einem Erbvertrag, den er mit seiner Frau geschlossen hat, seinen 14 Jahre alten Neffen Max zum Alleinerben eingesetzt. Nun will Otto eines seiner Grundstücke an seinen anderen Neffen Norbert, der 16 Jahre alt ist, verschenken. Max soll dem zustimmen.

Durch die Zustimmung des minderjährigen Erben (Max), der im Erbvertrag bedacht, aber nicht Vertragspartner des Erbvertrags ist, zu einer beeinträchtigenden Schenkung des Erblassers an einen Dritten (Norbert) wird die Rechtsposition des Minderjährigen (Max) geschmälert, weil das Grundstück nicht mehr zum späteren Nachlass gehört. Er kann, da er nicht Vertragspartner des Erblassers ist, keinen Aufhebungsvertrag (§ 2290 BGB) abschließen. Da er nicht auf seine (ganze) Erbeinsetzung im Erbvertag durch Erbverzichtsvertrag verzichtet (§§ 2346, 2352 BGB) – auf einen einzelnen Nachlassgegenstand kann er nicht nach § 2346 ff. BGB verzichten –, scheidet ein Zuwendungsverzichtvertrag aus. Aber wegen seiner Minderung der Rechtsposition (siehe Rdn 23) steht seine Zustimmung zur Schenkung des Erblassers an einen Dritten (Norbert) einem partiellen Erbverzicht/Zuwendungsverzicht "materiell gleich": Die Zustimmung zur beeinträchtigenden Schenkung des Erblassers (§ 2287 BGB) bedeutet – für den Fall der Berufung zum Erben (Max) –, auf einen eventuell später bestehenden bereicherungsrechtlichen Anspruch nach § 2287 BGB zu verzichten. Der Erlass einer (zukünftigen) Forderung (§ 399 BGB) kann formlos erfolgen. Dennoch folgt die heutige h.M. nicht solcher Rechtsprechung des Reichsgerichts und lässt keine formlose Zustimmung des Bedachten zur Schenkung des Erblassers, die jenen Bereicherungsanspruch ausschließt, genügen,[36] sondern betont die materielle Gleichheit mit einem Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) und verlangt die Beachtung der Form der §§ 2352, 2348 BGB.[37]

 

Rz. 31

Ausgehend von der zuvor genannten Rechtsansicht: Wegen der materiellen Gleichwertigkeit mit einem Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) kann der Minderjährige (Max), der seiner Benachteiligung für den Erbfall durch die beeinträchtigende Schenkung des Erblassers an einen Dritten (Norbert) zustimmt, wenn er geschäftsunfähig ist, diese Zustimmung zur Schenkung nur durch seinen gesetzlichen Vertreter erklären (§ 104 BGB). Ist der minderjährige Max – wie hier – geschäftsbeschränkt, so kann er die Zustimmung zur beeinträchtigenden Schenkung selbst nur mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters durch Abschluss eines Verzichtsvertrags erklären (§ 107 BGB).[38] Er kann aber auch beim Abschluss des Vertrags, der seine Zustimmung enthält, durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten werden. Es spielt keine Rolle, ob der Verzichtende durch seine Eltern oder einen Vormund vertreten wird, er bedarf der Genehmigung des Familiengerichts analog § 2347 Abs. 1 BGB.

§§ 1641, 1803 BGB, wonach Eltern und Vormund aus dem Kindesvermögen keine Schenkungen machen können, es sei denn, sie entsprächen einer sittlichen Pflicht, steht solchem Verzicht nicht entgegen, weil die Vorschriften nur gegenwärtiges Vermögen von Minderjährigen und nicht künftiges Vermögen, als Erbschaft erhofftes Vermögen, des Kindes schützen.

 

Rz. 32

Diese Rechtsprechung des BGH steht im Gegensatz zu einer Rechtsprechung des BGH,[39] die sich für die Frage des Erfordernisses einer gerichtlichen Genehmigung bei §§ 1821, 1822 BGB zu einer formalen Auslegung bekennt: Vom Gesetz werden unstreitig nicht alle wirtschaftlich bedeutsamen Geschäfte einem Genehmigungszwang unterworfen. Im Interesse der Rechtsklarheit dürfe man keinesfalls durch Auslegung und erst recht nicht durch Analogie zu einer unübersehbaren Zahl von genehmigungspflichtigen Geschäften gelangen, etwa unter dem Auslegungsziel "Schutz des Minderjährigen."[40] Für das Erfordernis von gerichtlichen Genehmigungen gibt es ein Enumerationsprinzip.[41] Die vom BGH hier vorgenommene Analogie, die eine gerichtliche Genehmigungspflicht für die Zustimmung zur Schenkung im Zusammenhang mit § 2287 BGB auslöst, dürfte deshalb als zeitlich überholt anzusehen sein.[42]

 

Rz. 33

 

Beispiel

Der Onkel Otto hat in einem Erbvertrag, den er mit seinem 14 Jahre alten Neffen Max geschlossen hat, diesen zum Alleinerben eingesetzt. Nun will Otto ein Grundstück an seinen anderen Neffen Norbert, der 16 Jahre alt ist, verschenken. Max soll dem zustimmen.

Die Zustimmung eines Minderjährigen zu einer beeinträchtigenden Schenkung des Erblassers an einen Dritten (§ 2287 BGB), wenn er nicht nur Bedachter des Erbvertrags, sondern zugleich auch Vertragspartner des Erblassers ist: Es kann der Vertragspartner des Erblassers nach h.M. keinen Erbverzicht (§§ 2346 ff. BGB) leisten, weil der Aufhebungsvertrag (§ 2290 BGB) Vorrang hat.[43] Eine Anwendung des § 2352 BGB (Zuwendungsverzichtvertrag) scheidet damit aus.[44] Dieser Umstand spricht auch gegen eine analoge Anwendung der Vorschrift (siehe Rdn 30, 31). Dennoch steht nach Ansicht des BGH diese Zustimmung zur beeinträchtigenden Schenkung einem partiellen Erbverzicht gleich;...

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