Rz. 5

Der 16-jährige Minderjährige kann zwar ein Testament errichten (siehe Rdn 1), aber als Erblasser keinen Erbvertrag abschließen (§ 2275 BGB).

Aufgrund des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17.7.2017 (BGBl I S. 1429) können nur noch unbeschränkt Geschäftsfähige Erbverträge abschließen (§ 2275 BGB n.F.).[1] Die folgenden Ausführungen gelten also nur noch für Erbverträge, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 22.7.2017abgeschlossen wurden. Sie sind wegen der Gesetzesänderung nicht unwirksam geworden.

 

Rz. 6

War der wenigstens 16 Jahre alte Minderjährige verheiratet, so konnte er als Erblasser mit seinem volljährigen Ehegatten einen Erbvertrag schließen (§ 2275 Abs. 2 BGB a.F.). Grundsätzlich war auch vor dem 22.7.2017 zur Eheschließung die volle Geschäftsfähigkeit erforderlich, aber gem. § 1303 Abs. 2 BGB a.F. konnte das Familiengericht Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit erteilen, wenn der Minderjährige 16 Jahre alt und sein Ehegatte volljährig war. Der Gesetzgeber hatte solche "beschränkte Erbvertragsfähigkeit" geschaffen, weil Erbverträge häufig mit Güterrechtsverträgen verbunden werden. Dabei muss der Gatte nicht als Erbe oder Vermächtnisnehmer bedacht werden; dies können, wie immer, auch Dritte sein.

 

Rz. 7

Auch ein Minderjähriger, der unter 16 Jahre alt ist, kann sich (auch heute noch) verloben, wenn er die nötige Einsichtsfähigkeit hat und die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters besitzt.[2]

Solch minderjähriger Verlobter konnte vor dem 22.7.2017 als Erblasser mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters einen Erbvertrag schließen (§ 2275 Abs. 3 BGB a.F.). Es konnte so z.B. auch eine 15-jährige junge Frau als Erbvertrags-Erblasserin mit ihrem 16-jährigen Verlobten einen Erbvertrag abschließen. Die Grenze der Testierfähigkeit von 16 Jahren (siehe Rdn 1) konnte also durch einen Erbvertrag noch unterschritten werden. Der Verlobte des minderjährigen, noch nicht 16 Jahre alten Erbvertrag-Erblassers, also der Vertragspartner, der die Erklärungen im Erbvertrag entgegennahm, braucht – auch heute –nicht voll geschäftsfähig zu sein, es genügt, dass er geschäftsbeschränkt ist. War der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen, dessen Zustimmung zum Erbvertrag erforderlich war, ein Vormund, so brauchte dieser die Genehmigung des Familiengerichts (§ 2275 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.). Der Begünstigte des minderjährigen Erbvertrag-Erblassers muss nicht der andere Verlobte sein, es können also auch ausschließlich Dritte bedacht werden.

 

Rz. 8

Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zum Erbvertrag des minderjährigen Ehegatten oder Verlobten konnte vor dem 22.7.2017gem. § 182 Abs. 2 BGB auch formlos erteilt werden; sie sollte aber zu Beweiszwecken wenigstens schriftlich erfolgt sein. Dementsprechend durfte ein Notar die Beurkundung des Erbvertrags, den ein minderjähriger Ehegatte oder Verlobter schließen wollte, nicht mit dem Hinweis auf § 11 BeurkG verweigern; er musste indes gem. § 17 Abs. 2 BeurkG auf die fehlende Genehmigung hinweisen.[3] Die Genehmigung konnte im Übrigen durch den gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen diesem gegenüber als auch dem Vertragspartner gegenüber erteilt werden (§ 182 Abs. 1 BGB).[4] Die Zustimmung des wegen Fehlens der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters schwebend unwirksamen Erbvertrags konnte sowohl vor Abschluss des Erbvertrages erteilt werden als auch nach dessen Zustandekommen erfolgen und heilte dann den Erbvertrag, sie machte den schwebend unwirksamen Erbvertrag rückwirkend wirksam (§ 184 Abs. 1 BGB).

 

Rz. 9

Ob auch nach dem Tode des minderjährigen Erblassers noch die Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter erteilt werden konnte, erscheint ausgeschlossen, weil dann die Gültigkeit der Verfügung von Todes wegen von einem Dritten, dem gesetzlichen Vertreter, abhinge, was dem Rechtsgedanken des § 2065 Abs. 1 BGB widerspricht:[5] Die Gültigkeit einer Verfügung von Todes wegen darf nicht von der Entscheidung eines Dritten abhängig sein.[6] Auch die Rechtsprechung nimmt einen Schwebezustand nicht hin,[7] obgleich der Vertragsgegner ihn nach § 108 Abs. 2 BGB alsbald beenden könnte. Die beim Vormund als gesetzlichem Vertreter nach § 2275 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. erforderliche Genehmigung des Familiengerichts durfte nach dem Tode des Minderjährigen nicht mehr erteilt werden.[8] Eine dennoch in Unkenntnis des Todes erteilte Genehmigung war wirkungslos. War sie vor dessen Tod erteilt, so bestehen Bedenken, ob der Vormund sie noch dem Verlobten oder Ehegatten des verstorbenen Erblassers gemäß § 1829 BGB bekanntgeben konnte, so dass sich in diesem Fall die Erbfolge rückwirkend (§ 184 BGB entsprechend), also nach dem Tod des Minderjährigen, noch änderte. Auch dies ist abzulehnen.

 

Rz. 10

Der Tod des Vertragsgegners, der selbst nicht von Todes wegen im Erbvertrag verfügt hat, hat keinen Einfluss auf den bereits abgeschlossenen Erbvertrag. Die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters des Erblassers konnte nicht nur dem Vertragsgegner, sondern auch dem Minderjährigen gegenüber...

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