Rz. 197

Nach § 829 BGB kann ausnahmsweise aus Billigkeitsgründen eine Haftung der nach §§ 827, 828 BGB nicht verantwortlichen Personen begründet sein. Voraussetzung hierfür ist,

dass der Ersatz des Schadens nicht von einem aufsichtspflichtigen Dritten erlangt werden kann,
die Billigkeit nach den Umständen, insbesondere nach den Verhältnissen der Beteiligten, eine Schadloshaltung erfordert und
dem Verantwortlichen nicht die Mittel entzogen werden, deren er zum angemessenen Unterhalt sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.
 

Rz. 198

Eine Billigkeitshaftung setzt stets ein "wirtschaftliches Gefälle", also erheblich bessere Vermögensverhältnisse des Schädigers voraus (BGH NJW 1979, 2096; VersR 2017, 296). Darüber hinaus ist die Intensität des Eingriffs in das geschützte Rechtsgut ebenso wie die Besonderheit der die Schadensersatzpflicht auslösenden Handlung von Bedeutung (BGH NJW 1995, 452, 454).

 

Beispiel

Ein fast vierjähriges Kind steigt mit seiner Tante aus einem Postomnibus aus, sieht seinen Vater auf der gegenüberliegenden Straßenseite, reißt sich von der Hand der Tante los und gerät vor einen Kraftwagen, der den haltenden Postomnibus überholen will.

 

Rz. 199

Trotz des grob verkehrswidrigen Verursachungsbeitrags des Kindes ist keine Mithaftung nach § 829 BGB gegeben, da der Verursachungsbeitrag des Kindes im Verhältnis zur Verantwortung des Kraftfahrers für die Verletzung des Kindes so gering ist, dass es als unbillig empfunden werden müsste, wenn er für den Schaden nicht voll haftet (BGH NJW 1969, 1762 ff.). Die Billigkeitsregel des § 829 BGB ist – sozusagen spiegelbildlich – auch hinsichtlich der Ansprüche des Kindes im Rahmen des Mitverschuldens gem. § 254 BGB zu berücksichtigen (BGH a.a.O.).

 

Rz. 200

Bei dieser Abwägung kann auch das Bestehen einer Kfz-Haftpflichtversicherung anspruchsbegründend berücksichtigt werden, da diese ihrer Funktion nach den Verkehrsopfern den ihnen zukommenden Schadensersatz sichern soll (BGH NJW 1995, 454).

 

Rz. 201

Bei allen anderen bestehenden Haftpflichtversicherungen kann die Tatsache, dass eine Versicherung besteht, lediglich bei der Höhe des nach § 829 BGB zu zahlenden Entschädigungsbetrags berücksichtigt werden. Eine bestehende Haftpflichtversicherung begründet aber keinesfalls einen Billigkeitsanspruch nach § 829 BGB dem Grunde nach (BGH VersR 2017, 296).

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