Rz. 15

Den verschiedenen Tabellen ist der Ansatz gemein, zunächst durch einen Prozentsatz, der sich auf den Nachlasswert als Bezugsgröße bezieht, eine Grundvergütung zu bestimmen. Sodann werden durch ggf. hinzutretende Zuschläge, die sich auf die Grundvergütung als Bezugsgröße beziehen, besondere Schwierigkeiten der Tätigkeit zusätzlich vergütet. Die Einzelheiten hierzu, aber auch bereits die Höhe des Grundbetrages, sind je nach Vergütungsempfehlungen unterschiedlich (vgl. hierzu die nachfolgende Darstellung in § 3 Rdn 21 ff.).

 

Rz. 16

Die Rechtsprechung weist immer wieder darauf hin, dass sich jede schematische Anwendung einer Tabelle verbietet und es immer Aufgabe des konkret zur Entscheidungsfindung berufenen Richters sei, die Angemessenheit der Vergütung im konkreten Einzelfall zu ermitteln.[32] Die darin liegende, sich möglicherweise über Jahre oder gar Jahrzehnte hinziehende Unsicherheit, dass keiner der Beteiligten (Erblasser/Testamentsvollstrecker/Erbe) letztendlich weiß, wie hoch die angemessene Vergütung wirklich ist, wird augenscheinlich zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit in Kauf genommen. Wirklich überzeugend ist dieser Gedankengang allerdings nicht. Insbesondere die Erwägung, eine solche Bemessung der Testamentsvollstreckervergütung sei "im Grundsatz der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden förderlich",[33] findet in der Praxis des Vergütungsstreits keine, und schon gar keine empirisch gesicherte, Grundlage.[34] Tatsächlich läuft die richterliche Angemessenheitsbestimmung viel zu häufig auf eine Beweislastentscheidung hinaus.

 

Praxishinweis

Um den Erben und etwa auch einem befassten Gericht gegenüber ggf. noch nach Jahren einen substantiierten Sachvortrag zum Umfang der Tätigkeit als Testamentsvollstrecker liefern zu können (siehe auch Rdn 11), empfiehlt es sich für jeden Testamentsvollstrecker, unabhängig von der Frage, ob eine Vergütung nach Zeitaufwand in Betracht kommt oder eine tabellenmäßig ermittelte Vergütung, eine aussagekräftige Zeiterfassung[35] der Tätigkeiten zu führen. Wer dies erstmalig tut, wird i.d.R. nach Abschluss einer Testamentsvollstreckung erstaunt sein, wie viel Zeitaufwand die Abwicklung erfordert hat und wie viele kleine und kleinste Einzelvorgänge geregelt wurden.

 

Rz. 17

Die gängigen Vergütungsempfehlungen gehen davon aus, dass Ausgangspunkt für die Ermittlung der Vergütung ein Vomhundertsatz des Bruttonachlasswerts ist, also der Summe der Nachlassaktiva. Dabei ist vom Verkehrswert auszugehen. Schon dieser Ansatz ist keineswegs "der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden förderlich."

Selbst die Frage, ob bei der Berechnung der Testamentsvollstreckervergütung der Pflichtteilsanspruch vom Brutto-Nachlasswert abzuziehen ist, hat in der Praxis zu Unsicherheiten geführt.

Mit Muscheler ist festzuhalten, dass die Berechnung der Testamentsvollstreckervergütung, ausgehend vom Brutto-Nachlasswert ohne Abzug der Verbindlichkeiten aus Pflichtteil, auszugehen ist.[36]

Muscheler ist mit Blick auf den betreffenden Aufwand auch zu folgen, wenn er betont, sehr oft dürfte für die Berechnung und Erfüllung der Pflichtteilsschuld sogar ein Zuschlag zur Grundvergütung angemessen im Sinne von § 2221 BGB sein.[37]

 

Rz. 18

Die Entwicklungen der letzten Jahre auf dem Aktien-, aber auch auf dem Immobilienmarkt haben uns zudem deutlich vor Augen geführt, dass aus der Sicht der Beteiligten zufällige Entwicklungen der Weltwirtschaft auch bei durchaus nicht übermäßigen Nachlässen zu Auswirkungen auf die Höhe der Testamentsvollstreckervergütung im fünfstelligen Bereich führen können. Gerechtfertigt wäre eine solche Auswirkung nur, wenn sie auch mit einer erhöhten Verantwortung des Testamentvollstreckers einherginge. Die gängigen Gebührentabellen sind allerdings nicht in der Lage, solchen Besonderheiten für die Beteiligten außerhalb einer richterlichen Einzelfallbetrachtung vorhersehbar und kalkulierbar Rechnung zu tragen.

 

Praxishinweis

Einzubeziehen in die Bemessung des Bruttonachlasses sind sämtliche Vermögenswerte, insbesondere auch Forderungen und Rechte. Die neuere Rechtsprechung folgt dieser Auffassung zumindest dann, wenn die Abwicklung aller Verbindlichkeiten zu den Aufgaben des Testamentsvollstreckers gehört.[38]

 

Rz. 19

Diese Auffassung verdient Zustimmung. Gerade die Schuldenregulierung ist i.d.R. zeitlich und inhaltlich aufwändig. Ein Testamentsvollstrecker erhielte andernfalls bei einem wegen erheblicher Schulden nur dürftigen Nachlass möglicherweise keine Vergütung.[39] Ein solches Ergebnis erschiene in hohem Maße unbillig, da ein hoch verschuldeter Nachlass i.d.R. mit besonderem Arbeitsaufwand und überdurchschnittlicher Verantwortung für den Testamentsvollstrecker verbunden ist.

 

Rz. 20

In der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften spielen fiktive Nachlassaktiva, unentgeltliche Zuwendungen oder Vorausempfänge häufig eine große Rolle. Hier zeigen sich weitere Unzulänglichkeiten der Vergütungsbemessung anhand von Tabellen. Anders als bei der Regulierung von Schulden akzeptiert die Rechtsprechung...

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