Rz. 181

Es können Situationen eintreten, in denen der Ehegatte aus rein wirtschaftlichen Gründen vollständig enterbt wird, und ihm auch kein Vermächtnis letztwillig zugewandt werden soll. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung aus einer Lebensversicherung für ihn begründet wird. Durch diese taktische Enterbung kommt diese Forderung dann zur Anrechnung. Zu berücksichtigen ist, dass es nicht die Versicherungsprämien sind, die Gegenstand der Zuwendung sind, sondern die Versicherungssumme selbst.[318]

 

Beispiel

Ehemann E hinterlässt eine Nachlassmasse von fünf Mio. EUR. Zugunsten der Ehefrau F besteht eine Lebensversicherung i.H.v. zehn Mio. EUR mit unwiderruflichem Bezugsrecht. F hat – außer der Lebensversicherung – kein Endvermögen erworben. E setzt seine Tochter zur Alleinerbin ein. Wie hoch ist der Anspruch der Ehefrau F?

Fallabwandlung:

F erhält von E ein Vermächtnis i.H.v. einem EUR. Wie ändert sich durch dieses Vermächtnis der Anspruch der Ehefrau F der Höhe nach?

Variante 1:

Wegen § 1371 Abs. 2 BGB erhält F den kleinen Pflichtteil und den realen Zugewinn. Die Zuwendung aus der Lebensversicherung i.H.v. zehn Mio. EUR ist anzurechnen wegen § 1380 BGB, da es sich insoweit um keine "Gelegenheitszuwendung" handelt.

Zugewinn: 5 Mio. EUR + 10 Mio. EUR = 15 Mio. EUR

½ aus 15 Mio. EUR = 7,5 Mio. EUR

7,5 Mio. EUR ./. Zuwendung 10 Mio. EUR = 0 EUR Zugewinnausgleichsanspruch

⅛ Pflichtteilsquote aus 5 Mio. EUR = 625.000 EUR

Wirtschaftlicher Erwerb von F:

Pflichtteil (625.000 EUR) + Zahlung aus LV (10 Mio. EUR) = 10.625.000 EUR

Variante 2:

Wegen des Vermächtnisses – unabhängig von dessen Höhe – erhält F wegen § 1371 Abs. 1 BGB den großen Pflichtteil ((¼ + ¼) : 2), also 1,25 Mio. EUR.

Wirtschaftlicher Erwerb von F:

großer Pflichtteil (1,25 Mio. EUR) + Zuwendung aus LV (10 Mio. EUR) = 11.250.000 EUR

Aufgrund des Vermächtnisses erhält F somit 625.000 EUR mehr.[319]

[318] Hierzu zusammenfassend: Krug/Zwißler, Familienrecht und Erbrecht, Kap. IX, Rn 535 ff.
[319] Nach Bittler/Dommermühl, Haftungsfallen im Erbrecht, § 7 Rn 28 ff.

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