Rz. 50

Bei der Befreiung des Vorerben sind dem Erblasser allerdings Schranken gesetzt. Nicht befreien kann der Erblasser den Vorerben von folgenden Beschränkungen:

Unwirksamkeit unentgeltlicher Verfügungen (§ 2113 Abs. 2 BGB)
Verbot der Befreiung von Zwangsvollstreckungsverfügungen gegen den Vorerben, soweit Eigengläubiger des Vorerben oder der Insolvenzverwalter auf einen Erbschaftsgegenstand zugreifen (§ 2115 BGB)
Surrogationsgrundsatz nach § 2111 BGB
Die Verpflichtung des Vorerben auf Verlangen des Nacherben den Zustand der Nachlassgegenstände feststellen zu lassen (§ 2122 BGB)
Die Verpflichtung des Vorerben, die gewöhnlichen Erhaltungskosten der Nachlassgegenstände zu tragen (§ 2124 Abs. 1 BGB)
Die Verpflichtung des Vorerben dem Nacherben auf dessen Verlangen ein Nachlassverzeichnis mitzuteilen (§ 2121 BGB)
Die Haftung des Vorerben gegenüber dem Nacherben nach Eintritt der Nacherbfolge, wenn er entgegen dem Schenkungsverbot über den Erbschaftsgegenstand verfügt hat oder die Erbschaft in der Absicht, den Nacherben zu benachteiligen, vermindert hat (§ 2138 Abs. 2 BGB).
 

Rz. 51

Die Rechtsstellung des Vorerben kann folglich von sehr unterschiedlicher Ausprägung sein. Der befreite Vorerbe verfügt über eine wesentlich bessere und umfangreichere Rechtsposition als ein nicht befreiter Vorerbe. Gewissen Beschränkungen bleibt der Vorerbe, wie dargestellt, aber immer ausgesetzt. Gerade das Verbot unentgeltlicher Verfügungen und die damit korrespondierende Haftung nach § 2138 Abs. 2 BGB stellen eine wesentliche Beschneidung der Verfügungsfreiheit des Vorerben dar. Schenkungen jeglicher Art bleiben dem Vorerben damit untersagt. Grundsätzlich wird der geschiedene Ehegatte seinen Abkömmlingen aber das Recht, unentgeltliche Verfügungen zugunsten bestimmter Personen oder beispielsweise an gemeinnützige Einrichtungen auszusprechen, nicht nehmen wollen. Dies wird jedenfalls soweit gelten, als der Abkömmling keine ungewünschten Personen bedenkt.

Im Rahmen eines Geschiedenentestaments wird der Erblasser deshalb regelmäßig nach anderen Gestaltungsvarianten suchen, die eine über § 2136 BGB hinausgehende Befreiung des Vorerben ermöglichen.

a) Vorausvermächtnis

 

Rz. 52

Mittels eines Vorausvermächtnisses kann der Erblasser dem Vorerben bestimmte Nachlassgegenstände zuwenden, ohne dass diese den Beschränkungen der Nacherbschaft unterliegen. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass eine Beschränkung der Nacherbschaft auf einzelne Gegenstände unzulässig ist.[63] Nach §§ 1922 Abs. 1, 2087 BGB bezieht sich die Nacherbschaft zwingend immer auf den gesamten Nachlass oder einen Bruchteil des Nachlasses.

Durch ein Vorausvermächtnis kann der Erblasser einzelne Gegenstände aber der Nacherbschaft entziehen. Der Vorerbe erwirbt diese Gegenstände mit dem Erbfall, ohne dass diese dem Nacherbenrecht unterliegen. Es handelt sich hierbei um freies Vermögen des Vorerben, über das er nach seinem Belieben verfügen kann. In der letztwilligen Verfügung sollte jedoch ausdrücklich angeordnet werden, dass das Vorausvermächtnis nicht der Nacherbfolge unterliegt. Zudem muss im Erbschein eingetragen werden, dass sich das Nacherbenrecht nicht auf den voraus vermachten Gegenstand bezieht. Handelt es sich bei dem Vorausvermächtnis um ein Grundstück, ist im Grundbuch ein Nacherbenvermerk nicht einzutragen.[64]

 

Rz. 53

Es liegt auf der Hand, dass für den voraus vermachten Gegenstand kein Schutz vor einer Teilhabe unerwünschter Personen im Wege der Erbfolge oder über das Pflichtteilsrecht besteht. Außerdem ist der Vorerbe jederzeit berechtigt, diese Gegenstände an beliebige Personen zu verschenken. Folglich ist das Vorausvermächtnis kein geeignetes Gestaltungsmittel zur Erlangung der Regelungsziele eines Geschiedenentestaments.

 

Rz. 54

Diese Nachteile könnte man dadurch vermeiden, indem das Vorausvermächtnis aufschiebend bedingt zugewendet wird. Die Bedingung müsste für den Fall angeordnet werden, dass der Vorerbe unentgeltlich über bestimmte Nachlassgegenstände verfügt, ohne dabei den unerwünschten Personenkreis zu bedenken. Mit dieser Variante wäre sichergestellt, dass die betroffenen Gegenstände unter den Schutz der Nacherbfolge gestellt sind, solange der Vorerbe nicht in der bezeichneten Weise verfügt. Der geschiedene frühere Ehegatte kann weder im Wege der Erbfolge noch über den Pflichtteil am Nachlass des Erblassers teilhaben.

 

Formulierungsbeispiel

Der Vorerbe ist berechtigt, vor Eintritt des Nacherbfalls das zur Vorerbschaft gehörende Grundstück XY in München samt Inventar und Mobiliar an einen oder mehrere seiner Abkömmlinge zu übertragen, und zwar zu Bedingungen, die er selbst bestimmen kann. Macht der Vorerbe von dieser Befugnis Gebrauch, so gilt ihm das bezeichnete Grundstück als durch Vorausvermächtnis auf Eintritt des Erbfalls frei von der Vor- und Nacherbschaft zugewendet.

[63] BayObLGZ 1965, 457, 463.
[64] MüKo/Lieder, § 2111 Rn 43; Grüneberg/Weidlich, § 2110 Rn 2.

b) Zustimmungsvermächtnis

 

Rz. 55

Eine andere Möglichkeit, den Vorerben von den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB zu befreien, best...

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