Rz. 113

Nach der herrschenden Meinung darf der Vorerbe grundsätzlich alle Mitgliedschaftsrechte ohne Mitwirkung des Nacherben ausüben.[151] Insbesondere darf er an Abänderungen des Gesellschaftsvertrages mitwirken, Umwandlungsverträge schließen oder die Auflösung der Gesellschaft mitbeschließen.[152] Umstritten ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen die Änderung des Gesellschaftsvertrags mit Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Vorerben eine unentgeltliche Verfügung darstellt. Der BGH vertritt die Auffassung, dass eine Zustimmung des Nacherben nur dann verzichtbar ist, wenn nachvollziehbare betriebswirtschaftliche Gründe für die Änderung sprechen.[153] Die Änderung müsse alle Gesellschafter gleichermaßen betreffen oder aber der Stärkung der Gesellschaft dienen.[154] Unzulässig ist in jedem Fall aber immer eine Kündigung unter Verzicht auf eine Abfindung oder eine unentgeltliche Abtretung.

Auch ein Ausscheiden des Vorerben aus einer Personengesellschaft kann eine teilweise unentgeltliche Verfügung über den Gesellschaftsanteil darstellen, sofern dem Nachlass kein objektiv vollwertiger Abfindungsanspruch zufließt.[155] Ein solcher Fall kann bereits dann gegeben sein, wenn bei der Bewertung der Anteile der Firmenwert, die stillen Reserven oder schwebende Geschäfte unberücksichtigt bleiben. Allerdings kann bei komplexer, undurchsichtiger Geschäftslage nach ständiger Rechtsprechung die Abfindung noch als vollwertig angesehen werden, wenn die stillen Reserven pauschal abgegolten werden.[156]

 

Praxishinweis

Hier kann vorgebeugt werden, indem eine Zustimmungspflicht des Nacherben durch Vermächtnis angeordnet wird.

 

Formulierungsbeispiel

Ich beschwere den Nacherben zugunsten des Vorerben im Wege des Vermächtnisses mit der Verpflichtung hinsichtlich aller zum Nachlass gehörenden Gesellschaftsbeteiligungen an der X GmbH & Co. KG für alle vom Vorerben vorgenommenen Handlungen und Rechtsgeschäfte, insbesondere auch bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages, die vorbehaltslose Zustimmung zu erteilen, sofern die Handlungen des Vorerben einer ordnungsgemäßen kaufmännischen Geschäftsführung entsprechen. Sollte hierüber Streit bestehen, entscheidet ein von der zuständigen Industrie- und Handelskammer bestimmter Sachverständiger abschließend. Die Kosten gehen zu Lasten des Nachlasses.

Zu beachten ist bei Umwandlungen immer ganz besonders das Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 BGB.

[151] Damrau/Tanck/Bothe, § 2113 Rn 16; Scherer/Wachter, § 17 Rn 187; MüKo/Lieder, § 2112 Rn 16.
[152] Scherer/Wachter, Rn 187.
[153] BGH NJW 1981, 115; NJW 1981, 1560.
[154] Damrau/Tanck/Bothe, § 2113 Rn 16; BGH NJW 1981, 115.
[155] Harder, DNotZ 1994, 822, 825.
[156] BGH NJW 1984, 362, 364.

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