Rz. 4

Mit dem 1. EheRG[2] hat sich der Normzweck des § 1933 BGB stark verändert. Vor dieser Änderung war der überlebende Ehegatte weder erbberechtigt, noch hatte er einen Anspruch auf den Ehegattenvoraus (§ 1932 BGB), wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes berechtigt war, Scheidungs- oder Aufhebungsklage zu erheben und diese Klage auch erhoben hatte und der überlebende Ehegatte auch im Falle der Scheidung oder Aufhebung als schuldig anzusehen gewesen wäre.[3] Intention dieser Regelung war die Bestrafung des Ehegatten, der schuldhaft einen Scheidungsgrund herbeigeführt hat. Mit Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip im Scheidungsrecht verlor jedoch die Regelung ihren Sinn. Der Gesetzgeber hat aber trotzdem am Ausschluss des Ehegattenerbrechts festgehalten und zwar für den Fall, dass der Erblasser einen begründeten Scheidungsantrag gestellt hat oder aber einem solchen Antrag zugestimmt hat. Für diese Fälle soll dem überlebenden Ehegatten, so der Gedanke des Gesetzgebers, keine Berechtigung mehr zustehen, Erbe des Erstversterbenden zu werden. Das gesetzliche Erbrecht entspräche in dieser Situation nicht mehr dem mutmaßlichen Willen des Erblassers.[4]

 

Rz. 5

Diese Argumentation stößt teils auf heftige Kritik, wobei zu Recht darauf hingewiesen wird, dass dann konsequenterweise das Erbrecht für beide Ehegatten entfallen müsse. Dies ergibt sich aber gerade nicht aus § 1933 BGB. Nur der Scheidungsgegner verliert im Falle des Todes des Ehegatten, der die Scheidung beantragt hat, sein Erbrecht. Verstirbt aber der andere Ehegatte, wird er von dem scheidungswilligen Ehegatten dennoch beerbt.[5] In diesem Prinzip liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gegenseitigkeit der Erbberechtigung.[6] Sowohl der BGH als auch das BVerfG haben sich zu diesem Problemkreis aber noch nicht abschließend geäußert.

 

Rz. 6

In den Fällen, in denen beide Ehegatten die Scheidung betreiben, bestehen gegen den gegenseitigen Ausschluss des Erbrechts keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

[2] Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.6.1976 (BGBl I 1976 S. 1421), das am 1.7.1977 in Kraft trat (Art. 12 Nr. 13a 1. EheRG).
[3] Damrau/Tanck/Seiler-Schopp, § 1933 Rn 1.
[4] MüKo/Leipold, § 1933 Rn 1, Battes, FamRZ 1977, 433, 437.
[5] MüKo/Leipold, § 1933 Rn 2.
[6] Battes, FamRZ 1977, 433, 437; Dieckmann, FamRZ 1979, 389, 396.

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