Rz. 42

Mit Rauscher[101] ist zu prüfen, ob der Ehegatte bereit ist, die bisher von den Ehegatten einvernehmlich gelebte Form der ehelichen Lebensgemeinschaft fortzusetzen, oder ob er die Trennung herbeiführt, weil er diese Lebensgemeinschaft in dieser Weise nicht mehr verwirklichen will.[102] Der Trennungswille muss also Ausdruck für einen Zustand der Störung der Ehe sein, der jedenfalls nach der Vorstellung des die Trennung begehrenden Ehegatten zur Scheidung führen kann, wenn sich aus seiner Sicht keine Änderung im Sinne einer Besserung einstellt.[103]

Es reicht deshalb nicht aus, dass ein Ehegatte lediglich "Abstand von der Ehe gewinnen" will. Diese Fallgruppe, die von der Rechtsprechung zu § 48 EheG a.F. noch erfasst war, wird nunmehr von dem Tatbestandsmerkmal der Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr erfasst.[104] Das Motiv ist in den Fällen dieser Fallgruppe nicht scheidungsgerichtet, da der die Trennung herbeiführende Ehegatte noch nicht einmal zu dem Grad der Gewissheit gelangt ist, dass er jedenfalls die in der bisherigen Weise geführte eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Ein solcher Ehegatte schließt nicht aus, die eheliche Lebensgemeinschaft in der bisherigen Form fortsetzen zu wollen.[105]

Das heißt insbesondere nicht, dass der trennungswillige Ehegatte bereits abschließend scheidungswillig sein muss, dies ist gerade nicht erforderlich.[106] Es genügt vielmehr, wenn ein Ehegatte die Trennung herbeiführt, weil er die bisher gelebte Lebensgemeinschaft nicht mehr in dieser Weise verwirklichen will, er aber die Trennungszeit zu nutzen beabsichtigt, um die Einstellung zu dem anderen Ehegatten und die Notwendigkeit einer Scheidung zu prüfen.[107]

Das Tatbestandsmerkmal der Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft macht also die Nichtherstellung der häuslichen Gemeinschaft scheidungsgerichtet. Der gegen die häusliche Gemeinschaft gerichtete Wille als solcher grenzt mithin die zufälligen bzw. freiwilligen und die "unfreiwilligen", d.h. die von außen an die Ehegatten herangetragenen räumlichen Trennungen gegen das Getrenntleben im Sinne von § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB ab. Die "Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft" sondert unter den willentlichen tatsächlichen Trennungen diejenigen aus, die sich zumindest aus Sicht des trennungswilligen Ehegatten gegen das eheliche Zusammenleben als solches und unmittelbar richten.[108]

 

Praxistipp

Gerade bei § 1361b BGB ist das Tatbestandsmerkmal der "Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft" häufig problematisch und deshalb besonders genau zu prüfen. Die oben dargestellte, auf Rauscher zurück gehende Abgrenzung, ist gerade für die Praxis besonders geeignet. Sie ermöglicht trotz teilweise subtiler Differenzierungen im Einzelnen gleichwohl meist klare Ergebnisse. Die Kommentierung von Rauscher, in: Staudinger, § 1567 BGB, sollte im Zweifelsfalle auch von dem in der Praxis tätigen Rechtsanwalt als im diesem Bereich besonders geeignete Arbeitshilfe herangezogen werden.

[101] Staudinger, § 1567 BGB Rn 28, 94, 96; ebenso wohl MüKo-BGB/Ey, § 1567 BGB Rn 47; a.A. Schwab/Schwab, Handbuch, II Rn 144; Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1567 BGB Rn 11.
[102] Staudinger/Rauscher, § 1567 Rn 94.
[103] Staudinger/Rauscher, § 1567 Rn 94.
[104] Staudinger/Rauscher, § 1567 Rn 96; wohl auch MüKo-BGB/Ey, § 1567 BGB Rn 47; a.A. Schwab/Schwab, Handbuch) II Rn 144; Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1567 BGB Rn 11.
[105] Staudinger/Rauscher, § 1567 Rn 96.
[106] MüKo-BGB/Ey, § 1567 BGB Rn 48.
[107] Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1567 BGB Rn 11.
[108] So dezidiert Staudinger/Rauscher, § 1567 Rn 28.

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