Rz. 25
Der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung nach § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB setzt des Weiteren voraus, dass die Ehegatten getrennt leben oder – insoweit weitergehend als § 1361a BGB –, dass ein Ehegatte getrennt leben will.
aa) Getrenntleben
(1) Verwendung und Reichweite des Begriffs Getrenntleben
Rz. 26
Der Begriff "Getrenntleben" wird schon im allgemeinen Sprachgebrauch nicht einheitlich und häufig gleichbedeutend mit "Trennung" verwendet. So haben sich nicht nur Ehegatten, sondern selbstverständlich auch Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften getrennt, aber auch Geschwister, Freunde usw.; zudem werden zum Beispiel bei Unruhen, Kriegen und Bürgerkriegen Eltern von ihren Kindern getrennt und umgekehrt, ebenso Verwandte beider Linien und jeglicher Grade, ganze "Familien", ja sogar Arbeitskollegen, Mitarbeiter, Theaterensembles, Vereinsmitglieder usw.
Selbst das Recht verwendet den Begriff nicht einheitlich, weder in der Rechtsordnung insgesamt[62] noch im Familienrecht des BGB,[63] dies gilt auch für die Literatur.[64]
Rz. 27
§ 1567 Abs. 1 S. 1 BGB enthält die Legaldefinition des Begriffs "Getrenntleben" jedenfalls für das Scheidungsrecht.[65] Anwendbar ist der Getrenntlebensbegriff des § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB deshalb bei Regelungen, die in engem Zusammenhang mit einer auf Scheidung abzielenden räumlichen Trennung der Ehegatten stehen, also gerade bei §§ 1361, 1361a, 1361b BGB.[66]
(2) Der Begriff des Getrenntlebens im Sinne vom § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB
(a) Legaldefinition
Rz. 28
Nach der Legaldefinition des § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB besteht der Begriff des Getrenntlebens aus drei Tatbestandselementen, einem objektiven und zwei subjektiven. Objektiv, als äußeres Element, ist das Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft (objektiver Tatbestand) erforderlich; subjektiv (subjektiver Tatbestand), dass wenigstens ein Ehegatte die häusliche Gemeinschaft erkennbar nicht herstellen will (erstes subjektives Element), wobei der Wille, die häusliche Gemeinschaft nicht herzustellen von dem Motiv getragen sein muss, dass der trennungswillige Ehegatte die Lebensgemeinschaft ablehnt (zweites subjektives Element).
(b) Objektives Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft
(aa) Grundsatz und Grundmodell
Rz. 29
Das Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft ist ein objektiver Zustand ohne jedes Willenselement.[67] Die Definition setzt nicht voraus, dass die häusliche Gemeinschaft überhaupt einmal bestanden hat; sie muss lediglich nicht bestehen und gerade nicht "nicht mehr bestehen".[68] Dementsprechend macht § 1567 Abs. 1 S. 2 BGB deutlich, dass es ohne Aufgabe der ehelichen Wohnung möglich ist, dass die häusliche Gemeinschaft "nicht mehr" besteht. Der objektive Tatbestand umfasst mithin drei Fallgruppen: Erstens die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft durch Auszug wenigstens eines Ehegatten aus der ehelichen Wohnung, zweitens die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft innerhalb der ehelichen Wohnung und drittens das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft von Anfang der Ehe oder einem früheren Zeitpunkt als dem des Beginns des Getrenntlebens an.[69]
Rz. 30
Die erste Fallgruppe stellt das Grundmodell des Nichtbestehens der häuslichen Gemeinschaft dar: Ein Ehegatte oder beide verlassen die Ehewohnung und beziehen eine neue, eigene Wohnung. Verlässt – wie in den meisten Fällen – ein Ehegatte die Ehewohnung, besteht die häusliche Gemeinschaft nur dann nicht mehr, wenn er seine räumliche häusliche Lebensführung in der Ehewohnung vollständig aufgegeben und in die neue Wohnung verlegt hat. Eine solche vollständige häusliche Trennung setzt voraus, dass die Ehegatten keinen gemeinsamen räumlichen Mittelpunkt der Lebensführung mehr haben. Dem Lebensmittelpunkt sind alle täglichen Lebensbereiche zuzuordnen, die sich üblicherweise im häuslichen Bereich abspielen, mithin schlafen, wohnen...
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