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Der Wortlaut des § 1361b Abs. 2 S. 1 BGB ist § 823 Abs. 1 BGB nachgebildet. Die entsprechenden Tatbestandsmerkmale haben deshalb die gleiche Bedeutung wie bei § 823 Abs. 1 BGB.[137]

Körperverletzung: Der Körper der geschützten Person wird verletzt durch jeden unbefugten physischen oder psychischen Eingriff in die körperliche Befindlichkeit, der eine Störung der körperlichen, geistigen oder seelischen Befindlichkeit bewirkt.[138]
Gesundheitsverletzung: Sie liegt bei jeder durch den Täter hervorgerufenen Störung der physischen, psychischen oder mentalen Befindlichkeit eines Menschen mit Krankheitscharakter vor; denn das Gegenteil von Gesundheit heißt Krankheit, weshalb dieser Begriff zur Konkretisierung von § 823 BGB zu verwenden ist[139] und dementsprechend auch bei § 1361b Abs. 2 S. 1 BGB. Der BGH[140] vermeidet hingegen häufig die Heranziehung des Kriteriums der Krankheit und versteht unter dem Begriff der Gesundheitsverletzung "jedes hervorrufen oder steigern eines von den normalen körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden Zustand". Beispiele sind Depressionen, Neurosen oder Psychosen.
Verletzung der Freiheit: Sie setzt die Einschränkung der körperlichen Fortbewegungsfreiheit voraus.[141] Rein sprachlich könnte man diesen Begriff sehr weit interpretieren und darunter sogar die allgemeine Handlungsfreiheit subsumieren. Dagegen spricht jedoch schon, dass sich diese mit Leben, Körper und Gesundheit weder hinsichtlich ihrer rechtsethischen Ranghöhe noch hinsichtlich ihrer sozialtypischen Offenkundigkeit vergleichen lässt. Außerdem und vor allem würde man auf diese Weise das gesetzliche System sprengen, denn mit der Kategorie der Handlungsfreiheit lässt sich nahezu jede beliebige Interessenverletzung erfassen, sodass diese schon bei Fahrlässigkeit haftbar machen würde und man so im Ergebnis zu einer "großen" Generalklausel käme.[142] Daher genügt die Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungs- und Entschlussfreiheit nicht,[143] selbst wenn sie durch Drohung, Zwang oder Täuschung bewirkt wird.[144] Das ist der eigentliche Grund, weshalb eine Freiheitsverletzung im Sinne von Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit durch auch nur kurzfristiges Einsperren der Person folgen kann,[145] nicht jedoch durch bloßes Aussperren.[146] Deshalb ist das Aussperren eines Ehegatten aus der Ehewohnung keine Freiheitsverletzung im Sinne des § 1361b Abs. 2 S. 1 BGB.
Drohung mit einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder des Lebens: Der tatsächlichen Gewaltanwendung steht die Drohung mit einer Körper-, Gesundheits- oder Freiheitsverletzung sowie einer Verletzung des Lebens gleich. Auch die Drohung muss sich wie die Gewaltanwendung selbst gegen den anderen Ehegatten richten. Unter Drohung ist das ausdrückliche, schlüssige oder versteckte in Aussicht stellen einer künftigen Verletzung der bezeichneten Rechtsgüter zu verstehen, auf deren Eintritt der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Es muss sich um eine ernstgemeinte und von dem betroffenen Ehegatten auch vernünftiger Weise ernst genommene Drohung im Sinne der §§ 240, 241 StGB handeln. Es ist insoweit jeweils auf die objektive Sicht eines Durchschnittsmenschen abzustellen.[147] Die Drohung ist von einer bloßen Warnung zu unterscheiden; diese weist auf eine unabhängig vom Willen des Warnenden eintretende Folge eines bestimmten Verhaltens hin.[148] Darüber hinaus treten Abgrenzungsprobleme – worauf Cirullies/Cirullies[149] zutreffend hingewiesen haben – in der Praxis besonders zu bloßen Beschimpfungen, Verwünschungen oder Prahlereien auf. Hier ist die Abgrenzung zur Drohung besonders schwierig. Entscheidend ist, wie konkret die Aussage getroffen wird und ob sie gegenüber dem anderen Ehegatten oder gegenüber einem Dritten erfolgt. So handelt es sich um eine Drohung, wenn der Partner gegenüber seiner Partnerin und deren Kindern wiederholt mit einer Körperverletzung droht mit Aussagen wie "Ich knall dir eine" und "Ich hau dir eine auf die Schnauze".[150] Demgegenüber reicht es nicht aus, wenn der Ehemann anlässlich eines Ehestreits gegenüber der Nachbarin äußert, er könnte "manchmal seine Frau umbringen...".[151] Es ist immer eine Abwägung sämtlicher Umstände im Einzelfall erforderlich.
Widerrechtlichkeit: Die Widerrechtlichkeit der Verletzungshandlung ist nach den für § 823 BGB geltenden Maßstäben zu beurteilen.[152] Es ist deshalb grundsätzlich von Widerrechtlichkeit auszugehen, wenn der Täter keinen Rechtfertigungsgrund darlegen kann.
Verschulden: Der Begriff des Verschuldens ist weder im BGB noch im GewSchG definiert. Nach der Systematik des BGB, die auch hier zugrunde zu legen ist, ist er Oberbegriff der Schuldformen Vorsatz und Fahrlässigkeit und erfordert als weiteres Verschuldenselement Zurechnungsfähigkeit.[153]
 

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§ 1361b Abs. 1 S. 1 BGB fordert die Schuldform Vorsatz und deswegen zugleich als weiteres Verschuldenselement Zurechnungsfähigkeit des Täter-Ehegatten.[154]

Allerdings ist § 1 Abs. 3 GewSchG entsprechend ...

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