Rz. 18

Ehegatten können die Ehewohnung, auch wenn sie getrennt leben, durch oder im Rahmen einer sogenannten Trennungsvereinbarung entwidmen. Rechtsgeschäfte der Ehegatten untereinander sind grundsätzlich ebenso zulässig wie Verträge jedes einzelnen Ehegatten mit Dritten.[42] Verträge schließen die Ehegatten auch ab, wenn sie ihre Rechtsbeziehungen ordnen, jedoch nicht mehr um des Vollzugs ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft willen, sondern in Abkehr von ihr.[43]

Vereinbaren Ehegatten im Rahmen einer solchen Trennungsvereinbarung, dass die bisherige Ehewohnung keine solche mehr sein soll, betrifft die Vereinbarung das Recht und die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB, nämlich das hieraus folgende Recht und die Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft. Die Vereinbarung beschränkt sich auf die Aufhebung eines Teils der allgemeinen Ehewirkungen, sie betrifft nicht die güterrechtlichen Verhältnisse im Sinne von § 1408 Abs. 1 BGB. Derlei Vereinbarungen bedürfen nicht der Einhaltung einer bestimmten Form, argumentum § 1410 BGB.[44] Sie sind nicht gemäß §§ 139, 134, 138, 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Recht und die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft nichtig, selbst wenn die Voraussetzungen des § 1353 Abs. 2 BGB fehlen.[45] In derartigen Vereinbarungen liegt auch dann nicht zugleich eine Vereinbarung über das Recht zum Getrenntleben, wenn es sich um eine Trennungsvereinbarung handelt; vielmehr regeln die Ehegatten allein das tatsächliche Getrenntleben im Sinne von § 1567 BGB.[46]

Die materiell-rechtliche Grundlage der Befugnis zum tatsächlichen Getrenntleben folgt aus der Wertung der §§ 1565 ff. BGB, nach der das Recht und die Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft i.S.d. § 1567 BGB als Teilaspekt der Pflichten aus § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB bereits dann entfallen, wenn ein Ehegatte getrennt leben will, weil er die bisher gelebte Lebensgemeinschaft nicht mehr in dieser Weise verwirklichen will, er aber die Trennungszeit zu nutzen beabsichtigt, um die Einstellung zu dem anderen Ehegatten und die Notwendigkeit einer Scheidung zu prüfen.[47] Ein umfassendes Recht zum Getrenntleben i.S.v. § 1353 Abs. 2 Alt. 2 BGB besteht erst dann, wenn die Ehe im Sinne von § 1565 Abs. 1 BGB gescheitert ist, also – sofern nicht die Voraussetzung des § 1565 Abs. 2 BGB vorliegen – frühestens mit Ablauf des ersten Trennungsjahrs. Bereits zuvor, mit dem tatsächlichen Getrenntleben, entfällt die Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft aus § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB.

Kann nun aber ein Ehegatte einseitig – weil er getrennt leben will – bewirken, dass das Recht und die Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft entfallen und die Befugnis zum tatsächlichen Getrenntleben im Sinne des § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB entsteht, müssen auch Vereinbarungen der Ehegatten, die hieraus folgende vermögensrechtliche Aspekte regeln, wirksam sein.

 

Rz. 19

Allerdings ist die einvernehmliche Entwidmung der Ehewohnung durch die Ehegatten während des Getrenntlebens nur dann wirksam, wenn die Ehegatten zugleich einvernehmlich die Existenz der bisherigen Ehewohnung beseitigen, also den Mietvertrag kündigen oder die Wohnung verkaufen und jeweils ausziehen. Gerade in den Fällen, in denen ein Ehegatte dem anderen die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung aufgrund einer Vereinbarung überlässt und beide Ehegatten zugleich die Ehewohnung ausdrücklich als solche entwidmen, ist die Entwidmung wegen Verstoßes gegen die halbzwingenden Vorschriften der §§ 1361a, 1361b, 1568a, 1568b BGB nichtig. Sämtliche Bestimmungen gehören zu den sogenannten objektiv halbzwingenden Normen, die nicht insgesamt, sondern nur teilweise zwingend sind,[48] nämlich insoweit, als ihre subsidiäre Geltung nicht abbedungen werden kann.[49] Die Entwidmung führte nun aber gerade hierzu.

Regelmäßig liegt jedoch keine ausdrückliche Entwidmung vor, weshalb eine solche Nutzungsregelung das auch während des Getrenntlebens grundsätzlich gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB bestehende Recht zum Mitbesitz zugunsten des aufgrund der Regelung nutzungsberechtigten Ehegatten zu einem Recht zum Alleinbesitz modifiziert. Liegt ausnahmsweise eine nichtige Entwidmung vor, ist diese gemäß § 140 BGB in eine derartige Regelung des Besitzrechts umzudeuten.

[42] Hepting, Ehevereinbarungen, S. 6, S. 9 ff.
[43] Gernhuber/Coester-Waltjen, § 18 III 6. Rn 33.
[44] Soergel/Gaul, § 1408 Rn 2; Staudinger/Thiele, § 1408 Rn 6 f.
[45] Knütel, FamRZ 1981, 547 f.; a.A. Giesen, JR 1983, 89, 92; Reinhart, JZ 1983, 184, 189 f.
[46] MüKo-FamFG/Erbarth, § 200 Rn 39, § 266 Rn 86.
[47] Staudinger/Rauscher, § 1565 Rn 24 m.w.N.
[48] Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 3 Rn 104, 105; § 34 Rn 57 f.
[49] Erbarth, FuR 2010, 606, 608.

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