Rz. 94

Der Anspruch auf Entrichtung einer Nutzungsvergütung gem. § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB setzt bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Nutzungsberechtigung des in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten voraus; mit dieser Nutzungsberechtigung korrespondiert untrennbar eine Überlassungspflicht des anderen Ehegatten, des Inhabers des Vergütungsanspruchs. Der Bedeutungszusammenhang, in den § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB hineingestellt ist, und die Regelungsabsicht der Gesetzesverfasser bestätigen und erhärten ein solches Normverständnis. So setzt der neu geschaffene Vergütungsanspruch des § 2 Abs. 5 GewSchG gleichfalls eine Überlassungsverpflichtung und eine Nutzungsberechtigung voraus. Er ist nämlich nur gegeben, wenn entweder eine Überlassungsverpflichtung des Ausgezogenen nach § 2 Abs. 1 GewSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GewSchG oder nach § 2 Abs. 6 S. 1 GewSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GewSchG besteht. Hingegen gewährt § 2 GewSchG in den Fällen, in denen keine Überlassungsverpflichtung und demzufolge auch keine Nutzungsberechtigung besteht – so bei einer Verletzung des Hausrechts (§ 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2a GewSchG) – keinen Vergütungsanspruch. Daraus folgt, dass nach den Vorstellungen der Gesetzesverfasser bei fehlender Pflicht zum Auszug ohne weiteres weder eine Überlassungsverpflichtung noch ein Anspruch auf eine Benutzungsvergütung gegeben sind. Auch § 1568a Abs. 3, Abs. 5 S. 1 BGB sehen nur für den Ehegatten den Eintritt in einen bestehenden oder die Begründung eines Mietvertrags vor, dem ein Überlassungsanspruch nach § 1568a Abs. 1, Abs. 2 BGB und dementsprechend ein Nutzungsrecht an der Wohnung zusteht.

 

Rz. 95

Eine Nutzungsberechtigung im Sinne von § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB liegt vor, wenn dem Ehegatten der Überlassungsanspruch nach § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB zusteht oder wenn die Ehegatten eine wirksame Nutzungsvereinbarung bezüglich der Wohnung getroffen haben.[280]

Die Nutzungsberechtigung aufgrund der unwiderleglichen Vermutung des § 1361b Abs. 4 BGB begründet keine Nutzungsberechtigung im Sinne von Abs. 3 S. 2 der Vorschrift. Aus der äußeren Systematik der Vorschrift, dem Vergleich mit § 2 GewSchG, 14 LPartG, der Regelungsabsicht der Gesetzesverfasser sowie rechtsethischen Prinzipien folgt, dass § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB nur solche Nutzungsberechtigungen meint, die mit einer Überlassungsverpflichtung nach § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB oder einer dieser qualitätsmäßig entsprechenden korrespondieren. Zu diesen zählt § 1361b Abs. 4 BGB nicht; vielmehr erfasst die Vorschrift allein die Fälle, in denen ein Ehegatte trotz fehlender Pflicht die Ehewohnung verlässt.[281]

 

Rz. 96

Die überwiegende Rechtsprechung gewährt jedoch seit der Entscheidung des BGH vom 15.2.2006[282] einen Anspruch auf Entrichtung einer Nutzungsvergütung entsprechend § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB – auch wenn eine Nutzungsberechtigung und die korrespondierende Überlassungsverpflichtung fehlen.[283] Die Literatur[284] ist der Ansicht des BGH[285] weitgehend gefolgt.

Der BGH hat nunmehr in seiner jüngsten Entscheidung vom 18.12.2013[286] seine früheren Ausführungen bestätigt und eine "faktische Überlassung" der Wohnung ausreichen lassen. Es komme nicht mehr darauf an, ob der weichende Ehegatte die Ehewohnung freiwillig verlasse oder, ob er verpflichtet sei, sie dem anderen zur alleinigen Benutzung zu überlassen. Dies widerspricht bereits dem Wortlaut der Vorschrift.

Neben dem Argument, § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB setze im Gegensatz zu § 1361b Abs. 2 BGB a.F. keine Überlassungsverpflichtung voraus – obwohl diese gerade mit der erforderlichen Nutzungsberechtigung korrespondiert – wird als wesentliches Argument, mit dem zugleich die behauptete Gesetzeslücke in Form einer Regelungslücke begründet wird,[287] angeführt, in den Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB bei keinem Ehegatten vorliegen, entstehe, wenn man § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB nicht entsprechend anwende, ein Wertungswiderspruch: Verlasse in einem solchen Falle ein Miteigentümer die Wohnung, so stehe diesem im Ergebnis nach § 745 Abs. 2 BGB eine Nutzungsvergütung zu, der die Ehewohnung verlassende Alleineigentümer besitze jedoch mangels einer Anspruchsgrundlage keinen Anspruch auf Entrichtung einer Nutzungsvergütung.[288]

Hier zeigt sich nun besonders deutlich die gesamte Widersprüchlichkeit der herrschenden Ansicht: Weder dem ausgezogenen Miteigentümer noch dem ausgezogenen Alleineigentümer steht nämlich ein Anspruch auf Entrichtung einer Nutzungsvergütung nach den allgemeinen Vorschriften zu und zwar unabhängig davon, ob der ausgezogene Ehegatte binnen sechs Monaten nach dem Auszug seine Rückkehrabsicht bekundet hat oder nicht. Hat der ausgezogene Ehegatte innerhalb von sechs Monaten nach dem Auszug seine Rückkehrabsicht dem anderen Ehegatten gegenüber nicht bekundet, schließt das gem. §§ 1361b Abs. 4, 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB bestehende Recht des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten zum Alleinbesitz der Ehewohnung sämtliche weiteren möglichen Anspruchsgrundlagen bereits tatbes...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge