A. Die Vertragsgestaltung (konstruktiv)

 

Rz. 1

Der vorsprechende Mandant möchte darüber beraten werden, ob für ihn ein Ehevertrag zweckmäßig sei und ggf. mit welchem Inhalt.

B. Die Verteidigung eines für die Mandantschaft günstigen Vertrages (defensiv)

 

Rz. 2

Der Mandant legt einen bereits abgeschlossenen Ehevertrag, ggf. nebst gegnerischer Korrespondenz, mit der Bitte um Prüfung vor, ob die von seinem Ehegatten nunmehr geltend gemachten Ansprüche – z.B. nachehelicher Unterhalt – nicht im Hinblick auf die zuvor getroffenen Vereinbarungen ausgeschlossen sind und damit abgewehrt werden können.

C. Die "Anfechtung" eines für die Mandantschaft ungünstigen Vertrages (destruktiv)

 

Rz. 3

Der Mandant bittet um Beratung aufgrund seines laufenden Scheidungsverfahrens. Im Gespräch ergibt sich seine Unterhaltsbedürftigkeit. Er legt einen Ehevertrag mit nachehelichem Unterhaltsverzicht vor.

D. Gemeinsamkeiten

 

Rz. 4

Trotz der formell und taktisch völlig unterschiedlichen, teils sogar gegenteiligen Zielrichtungen haben diese Tätigkeiten einen gemeinsamen Mindestgehalt. Sie setzen jeweils die Kenntnis des materiellen Ehevertragsrechts voraus sowie der formellen Verfahrensregeln, die für die Geltendmachung und Abwehr der vertraglichen Ansprüche gleichermaßen gelten.

 

Rz. 5

 

Beispiel

M und F trennen sich nach 40jähriger Ehe im Alter von jeweils 60 Jahren und wollen sich scheiden lassen. Am Tag vor der Eheschließung hatte M der hochschwangeren F erklärt, entweder sie unterschreibe jetzt sofort einen bereits von ihm fix und fertig vorbereiteten Ehevertrag, und zwar bei Notar N und binnen einer Stunde, oder er werde sie nicht heiraten und sie auf der Stelle verlassen. F unterschreibt einen Totalverzicht hinsichtlich sämtlicher Scheidungsfolgesachen und einen Verzicht auf Trennungsunterhalt. Den Vertrag hatte M zuvor von seinem Rechtsanwalt R1 ausarbeiten lassen. M und F führten sodann eine Hausfrauenehe. F ließ ihre Studienpläne fallen und zog vier gemeinsame Kinder groß. M studierte, absolvierte eine glänzende Karriere als Manager und verfügt über ein in der Ehe erspartes Millionenvermögen. F ist einkommens- und vermögenslos.

F beauftragt die Rechtsanwältin R2 mit ihrer Vertretung nach der Trennung und im Scheidungsverfahren. Diese prüft deren Ansprüche, insbesondere auf Trennungs- und nachehelichen Unterhalt, Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich.

M beauftragt den Rechtsanwalt R3, die Ansprüche abzuwehren.

Die beteiligten Juristen hatten bzw. haben zwar unterschiedliche Aufträge und daher unterschiedliche Vorfragen zu beantworten, nämlich:

R1: welche Regelungen sind für M einerseits am günstigsten, andererseits aber auch gerichts- bzw. kontrollfest?
N: welche Regelungen wünschen die Verlobten (und in welcher Weise sind sie über die Folgen zu belehren) und kann er sie beurkunden?
R2 und R3: sind diese Regelungen für die jeweilige Mandantschaft günstig oder ungünstig, sind sie also zu verteidigen oder anzugreifen?,
mussten bzw. müssen sich aber mit derselben Frage befassen, nämlich:

R1, N, R2 und R3: halten die zu beurkundenden (R1 und N ex ante) bzw. beurkundeten (R2 und R3 ex post) Klauseln bzw. hält das Vertragswerk insgesamt einer rechtlichen Überprüfung stand, ist es also gerichts- bzw. kontrollfest? Liegen formelle und/oder materielle Fehler vor?

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