Rz. 141

Auslegungsprobleme ergeben sich auch immer dann, wenn der Erblasser nicht hinreichend klar verfügte. Wurde, z.B. ohne weitere Anordnung, ein Wohnungsrecht durch Vermächtnis eingeräumt, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob ein Wohnungsrecht gem. der §§ 1090, 1093 BGB oder ein schuldrechtliches Wohnungsrecht gewollt ist. Da das schuldrechtliche Wohnrecht als Leihe zu werten ist[187] und da hier insbesondere die Regelung des § 571 BGB, Veräußerung bricht nicht Miete, keine Anwendung findet,[188] ist die Klärung dieser Auslegungsfrage von ebenso evidenter Bedeutung wie die Frage, ob das Wohnrecht entgeltlich oder unentgeltlich eingeräumt wurde oder auch Dritten überlassen werden darf.

 

Rz. 142

Führt eine individuelle Auslegung hier zu keinem Ergebnis, so ist bei der Auslegung unklarer Wohnungsrechtsvermächtnisse von Folgendem auszugehen:

Im Zweifel ist von einem schuldrechtlichen Wohnungsrecht auszugehen, da der Erblasser den Willen der dinglichen Absicherung des Wohnungsrechts ansonsten zum Ausdruck gebracht hätte.[189]
Ist zweifelhaft, ob ein dingliches Wohnungsrecht oder ein Mietverhältnis gewollt war, ist im Zweifel von einem Mietverhältnis auszugehen.[190]
Ist zweifelhaft, ob Unentgeltlichkeit oder Entgeltlichkeit gewollt war, muss entsprechend den beiden voranstehenden Zweifelsregelungen zu Ungunsten des Vermächtnisnehmers von einer Entgeltlichkeit ausgegangen werden.[191]
 

Hinweis

Der Vermächtnisnehmer kann bei einem schuldrechtlichen Wohnungsrecht bei Gefährdung seines Anspruchs Antrag auf Nachlassverwaltung gem. § 1981 Abs. 2 BGB stellen und auch von den Sicherungsmitteln des Arrests und der einstweiligen Verfügung Gebrauch machen.

 

Rz. 143

Ein Wohnungsrecht als persönlich beschränkte Dienstbarkeit darf gem. § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB an Dritte nur überlassen werden, wenn dies gestattet ist. Bezweckte der Erblasser jedoch mit dem Wohnungsrechtvermächtnis dem Bedachten ein mietfreies Wohnen zu gewähren und kam es dem Erblasser nicht darauf an, dem Begünstigten eine bestimmte Wohnung zu überlassen, sondern ihm die finanziellen Mittel für einen entsprechenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen, dann ist hierin auch das Recht des Begünstigten enthalten, das Wohnrecht entgeltlich auf Dritte zu übertragen.[192]

[187] BGH NJW 1985, 313.
[189] OLG Bamberg ZEV 1996, 34; a.M.: Hofstetter, ZEV 1996, 17.
[190] LG Gießen NJWE-MietR 1996, 218; Hofstetter, ZEV 1996, 17.
[191] Hat der Erblasser das Wohnungsrecht aber schon zu Lebzeiten unentgeltlich eingeräumt, ist der Erblasserwille dahingehend auszulegen, dass diese Regelung nach seinem Tod beibehalten werden soll.
[192] OLG Düsseldorf OLG-Rp 1996, 234.

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