Rz. 18

Ein Irrtum über die Erklärungshandlung gem. § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB dürfte von nahezu keiner praktischen Relevanz sein, da Fälle, in den der Erbe z.B. ausschlägt anstatt wie beabsichtigt das Erbe anzunehmen, durch die öffentlich beglaubigte Form der Erklärung vermieden werden dürften.

 

Rz. 19

Einen Irrtum über den Inhalt der Erklärung nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB stellen etwa die Fälle dar, in denen der Annahmewille trotz äußeren Anscheins, also insbesondere eines Verhalten des Erben, das den Schluss auf einen Annahmewillen zulässt, in Wirklichkeit gar nicht vorliegt.

 

Rz. 20

Eine Anfechtung kann bei einer nicht ausdrücklichen, aber aufgrund schlüssigen Verhaltens erfolgten Annahme der Erbschaft in den folgenden Fällen begründet sein:[12]

bei der Auszahlung von Nachlassgläubigern aufgrund angenommener Rechtspflicht, wobei der Erbe die Erbschaft letztlich gar nicht behalten will,[13]
wenn der Erbe Nachlassgegenstände verbraucht bzw. darüber verfügt, deren Zugehörigkeit zur Erbschaft ihm aber unbekannt sind,
wenn der Erbe bewusst über Nachlassgegenstände verfügt, dabei jedoch glaubt, er könne immer noch ausschlagen solange die Ausschlagungsfrist läuft,
wenn dem Erbe nicht bekannt war ausschlagen zu können.[14]
 

Rz. 21

Demgegenüber stimmen bei einer ausdrücklichen Annahmeerklärung Wille und Erklärung überein, so dass eine fehlende Kenntnis vom Ausschlagungsrecht hier nicht zur Anfechtung berechtigt.[15] Gleiches gilt, wenn der Ausschlagende irrtümlich angenommen hatte, der Nachlass falle nunmehr bestimmten Personen zu, wobei in Wahrheit andere Personen zum Zuge kommen.[16] Keine Anfechtungsberechtigung liegt des Weiteren vor bei einem Irrtum darüber, der Nächstberufene werde die Erbschaft annehmen.[17] Unbeachtlicher Motivirrtum ist im Weiteren der Irrtum darüber, dass die Ausschlagung einer Erbschaft vor dem 3.10.1990 auch Vermögen auf dem Gebiet der damaligen DDR mitumfasst,[18] der Testamentserbe annimmt, er erlange durch Ausschlagung einen unbelasteten gesetzlichen Erbteil oder der Irrtum über den Wert des Erbteils, eines Nachlassgegenstandes oder des Nachlasses.[19]

Die Auffassung, wonach die Annahme durch den pflichtteilsberechtigten Erben auch nicht anfechtbar ist, weil dem Erben unbekannt war, dass er in diesem Fall nicht mehr zu einem Pflichtteilsanspruch gelangen kann,[20] steht nicht mehr in Einklang mit derzeitiger BGH-Rechtsprechung. Denn die Fehlvorstellung des mit umfangreichen Vermächtnissen beschwerten Alleinerben, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um sich sein Pflichtteilsrecht zu erhalten, rechtfertigt die Anfechtung einer auf dieser Vorstellung beruhenden Annahme der Erbschaft.[21]

 

Rz. 22

Ein Anfechtungsgrund kann auch gegeben sein, wenn der Erbe in der Absicht ausschlägt, dadurch seinen Pflichtteilsanspruch z.B. nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB geltend machen zu können, in Wirklichkeit die Voraussetzungen dieses Anspruchs aber überhaupt nicht vorliegen.[22]

[12] MüKo/Leipold, § 1954 Rn 5 ff.
[13] Damrau/Tanck/Masloff, § 1943 Rn 3; wobei bereits fraglich ist, ob in dieser Handlung bereits eine Annahme der Erbschaft zu sehen ist.
[14] BayObLG FamRZ 1983, 1061.
[15] BayObLG NJW 1988, 1270; FamRZ 1996, 59.
[16] Vgl. MüKo/Leipold, § 1954 Rn 7.
[17] OLG Stuttgart MDR 1983, 751; OLG Schleswig ZEV 2005, 526.
[18] Damrau/Tanck/Masloff, § 1954 Rn 6.
[19] BayObLG FamRZ 1996, 59.
[20] BayObLG FamRZ 1996, 59.
[21] BGH ZErb 2006, 378 ff.; BGH ZErb 2016, 262.
[22] OLG Hamm NJW 1981, 2585 (LS) zur Rechtslage zu § 2306 BGB a.F.; einschr.: MüKo/Leipold, § 1954 Rn 8, wonach die Ausschlagung nur dann unwirksam ist, wenn sie unter dem Vorbehalt erklärt wurde, dass ein Pflichtteilsanspruch entstehe, und wenn diese Voraussetzung nicht zutrifft.

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