Rz. 44

Gemäß § 2348 BGB bedarf sowohl der Erbverzichtsvertrag als auch der Pflichtteilsverzichtsvertrag der notariellen Beurkundung.

Das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft, i.d.R. der Abfindungsvertrag, bedarf nach h.M. entsprechend § 2348 BGB der notariellen Form. Ist dieses wegen Formmangels nichtig, wird es durch den formgerecht erklärten Erb- oder Pflichtteilsverzicht analog § 311b Abs. 1 S. 2 BGB geheilt.[62]

 

Hinweis

Der "Erb- oder Pflichtteilsverzicht" zwischen den Erben oder Pflichtteilsberechtigten nach Eintritt des Erbfalls unterliegt nicht der Formvorschrift des § 2348 BGB. Ein solcher nachträglicher Verzicht ist vielmehr als Erlassvertrag bzw. negatives Schuldanerkenntnis nach § 397 BGB formlos möglich.

 

Rz. 45

Der Erbverzichtsvertrag ist kein gegenseitiger Vertrag i.S.d. §§ 320 ff. BGB, wenngleich er i.d.R. mit Rücksicht auf eine Gegenleistung abgeschlossen wird.[63] Der Erbverzicht selbst hat keinen verpflichtenden Inhalt, er ist ein abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft und führt als unmittelbare Rechtswirkung den Verlust des Erbrechts herbei. Das zugrundeliegende schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft ist bei Unentgeltlichkeit ein Geschäft "sui generis", bei Entgeltlichkeit ein gegenseitiger Schuldvertrag nach §§ 320 ff. BGB.

 

Hinweis

Wird eine vereinbarte Abfindung nicht geleistet, führt dies nicht zu der Unwirksamkeit des Verzichts, selbst schuldrechtlich kann nicht dessen Aufhebung verlangt werden. Anderes kann nur gelten, wenn beide Geschäfte miteinander verknüpft werden, etwa durch Aufnahme einer entsprechenden Bedingung in den Verzichtsvertrag.[64]

Strittig ist, ob die Gegenleistung für einen Erbverzicht Schenkungscharakter hat und damit Pflichtteilsergänzungsansprüche auslöst, oder dies entgeltlich erfolgt. Erhält der Verzichtende im Zeitpunkt des Verzichts das, was er als Erb- oder Pflichtteil wertmäßig erwarten durfte, spricht dies für eine entgeltliche Leistung. Hat er mehr erhalten, so spricht dies für eine zumindest teilweise Unentgeltlichkeit und wird Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen.[65]

 

Rz. 46

Ein Erb- und Pflichtteilsverzicht kann bei Einhaltung der Formvorschrift des § 2348 BGB auch stillschweigend vereinbart sein.[66] Setzen sich in einem Erbvertrag die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben und ein gemeinsames Kind, das Vertragspartner des Erbvertrags ist, zum Schlusserben ein, so kann hier ein stillschweigender Verzicht des Kindes nach dem Erstversterbenden angenommen werden, sofern nicht besondere Umstände für das Gegenteil sprechen.[67]

Auch kann in einem notariell beurkundeten gemeinschaftlichen Testament ein stillschweigender Erb- oder Pflichtteilsverzicht eines Ehegatten enthalten sein, sofern noch andere Anhaltspunkte hierfür sprechen, wie etwa der Umstand, dass die Ehegatten den Willen hatten eine vollständige Trennung ihres Vermögens auch für die Zeit nach ihrem Tode vorzunehmen.[68]

 

Rz. 47

Gemäß § 2347 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf der Verzicht eines unter Vormundschaft oder unter elterlicher Sorge stehenden Verzichtenden der Genehmigung des Familiengerichts.

Der Erblasser muss gem. § 2347 Abs. 2 BGB den Vertrag persönlich abschließen. Der in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Erblasser bedarf nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Nur der Geschäftsunfähige kann sich durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten lassen, allerdings ist hier die Genehmigung des Betreuungsgerichts zusätzlich erforderlich, § 2347 Abs. 1 S. 2 BGB.

[62] Palandt/Weidlich, § 2346 Rn 6.
[63] Palandt/Weidlich, § 2326 Rn 4.
[64] BayObLG ZEV 2006, 209, 210; Palandt/Weidlich, § 2346 Rn 8 ff.
[65] Vgl. hierzu OLG Hamm ZEV 2000, 277 f. m. Anm. Rheinbay; Theis/Boger, ZEV 2006, 143 ff,BGH ZErb 2016, 117.m. Anm.Grunewald.
[66] BGHZ 22, 364; BGH NJW 1977, 1728; a.M.: MüKo/Wegerhoff, § 2348 Rn 7 BayObLG BayObLGZ 1981, 35; BayObLG RPfleger 1984, 191.
[67] BGHZ 22, 364.
[68] BGH NJW 1977, 1728.

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