I. Allgemeines

 

Rz. 199

Da gem. § 253 Abs. 2 S. 2 ZPO grundsätzlich ein bestimmter Klageantrag zu stellen ist, muss der Anspruchsinhaber in die Lage versetzt werden, seinen Anspruch exakt zu beziffern bzw. bei einer Herausgabeklage die streitgegenständlichen Mobilien und Immobilien genau zu bezeichnen. Daher gewährt das materielle Recht auch dem Alleinerben Auskunftsansprüche, um ihn in die Lage zu versetzen, Umfang, Wert und Zusammenstellung des Nachlasses zu ermitteln und insbesondere auf den Nachlass zugehörige Forderungen realisieren zu können.

Dabei ist zu beachten, dass der Erbe keinen allgemeinen auf § 242 BGB gestützten Auskunftsanspruch besitzt. § 242 BGB dient nur dann als Auffangtatbestand, wenn auch eine konkrete Sonderverbindung zwischen Alleinerbe und dem Auskunftsschuldner besteht.

II. Überblick über die Auskunftsansprüche

 

Rz. 200

Auskunftsansprüche des Alleinerben außerhalb des BGB bestehen gegenüber

dem Nachlassgericht auf Einsichtnahme in die Nachlassakten,
dem Grundbuchamt gem. § 12 GBO auf Einsicht in das Grundbuch,
dem Handelsregister gem. § 9 Abs. 1 HGB auf Erteilung einer Abschrift eines Handelsregisterblattes,
dem Betreuungsgericht auf Akteneinsicht in Betreuungsakten gem. § 13 FamFG
gegenüber dem Familiengericht auf Einsichtnahme in Akten des Familiengerichts über die Rechnungslegung eines Pflegers eines Kindes nach den §§ 1666, 1915, 1890, 1892, 1893 BGB.
 

Rz. 201

Das BGB stellt dem Alleinerben des Weiteren die folgenden Auskunftsansprüche zur Seite:

den Anspruch gem. § 2027 Abs. 1 BGB gegenüber dem Erbschaftsbesitzer,
den Anspruch gem. § 2027 Abs. 2 BGB gegenüber demjenigen, der ohne Erbschaftsbesitzer zu sein, eine Sache aus dem Nachlass in Besitz nimmt, bevor der Erbe den Besitz bereits tatsächlich ergriffen hatte,
den Anspruch gem. § 2028 BGB gegenüber dem Hausgenossen,
den Anspruch gegenüber dem Testamentsvollstrecker gem. §§ 2218, 666 BGB,
den Anspruch gegenüber dem Nachlassverwalter gem. §§ 1888, 1890, 1975, 1915 BGB,
den Anspruch[283] des endgültigen Erben gegenüber dem vorläufigen Erbe nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag gem. § 1959 BGB,
den Anspruch gem. §§ 2030, 2027 Abs. 1 BGB gegenüber demjenigen, der den Nachlass vom Erbschaftsbesitzer erworben hat,
den Anspruch des wirklichen Erben gem. § 2362 Abs. 2 BGB gegenüber dem Scheinerben über den Bestand des Nachlasses und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände,
den Anspruch gem. §§ 675, 666 BGB gegenüber der Bank des Erblassers über den Bestand sämtlicher zum Todeszeitpunkt vorhandener Konten,
den Anspruch gem. §§ 675, 666 BGB gegenüber dem Beauftragten bzw. Bevollmächtigten des Erblassers auf Rechnungslegung nach § 259 BGB,
den Anspruch gegenüber dem Betreuungsgericht, über Rechnungslegung eines Vormundes nach den §§ 1890, 1892, 1893 BGB.
 

Rz. 202

Wenngleich das BGB keinen allgemeinen, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleiteten Auskunftsanspruch kennt, wurde durch die Rechtsprechung dennoch eine Generalklausel entwickelt, die wie folgt lautet:

In Fällen, in denen ein Recht auf Auskunft gegenüber den Verpflichteten die Rechtsverfolgung in hohem Maße erleichtert, oft überhaupt erst möglich macht, ist – auch abgesehen von der Geschäftsführung ohne Auftrag – nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dem Berechtigten ein Anspruch auf Auskunft bei Rechtsverhältnissen zu gewähren, deren Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer solche Auskünfte zu erteilen.[284]

Um einer uferlosen Ausdehnung zu begegnen, hat die Rechtsprechung von Anfang an darauf hingewiesen, dass die Pflicht zur Auskunft im allgemeinen nur eine Nebenpflicht zu einem Hauptanspruch und deshalb Voraussetzung sei, dass wirklich eine Verpflichtung besteht, deren Ausmaß sich aus der Auskunft im Einzelnen ergeben soll.[285]

 

Rz. 203

Dem Alleinerben sind daher gem. § 242 BGB folgende Auskunftsansprüche zuzubilligen:

gegen den enterbten aber pflichtteilsberechtigten Abkömmling wegen ausgleichungspflichtiger Vorempfänge nach § 2316 BGB,[286]
gegen den Beschenkten wegen anzurechnender Vorempfänge und wegen des Ergänzungspflichtteils gem. § 2315 BGB,[287]
gegen den Vertragserben wegen vom Erblasser erhaltener Geschenke i.R.d. § 2287 BGB, sofern hinreichend Anhaltspunkte für eine unentgeltliche Verfügung dargelegt werden können,[288] wobei damit in aller Regel kein Wertermittlungsanspruch einhergeht,[289]
gegen den Ehegatten des Erblassers wegen ehebedingter Zuwendungen und den Inhalt von Eheverträgen,[290]
gegen den überlebenden Ehegatten des Erblassers über den Bestand seines Endvermögens nach § 1379 BGB, wenn dieser den Zugewinnausgleich geltend macht,
gegen den geschiedenen überlebenden Ehegatten des Erblassers über dessen Einkünfte und Vermögen gem. § 1580 BGB, wegen der nach § 1586 BGB auf die Erben als Nachlassverbindlichkeit übergegangen Unterhaltsschuld.
[283] Bonefeld/Wachter/Masloff/Rock, FA Erbrecht, § 3 Rn 3.
[284] BGHZ 10, 3...

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