1. Anrechnungswahlrecht des Rechtsanwalts (§ 15a Abs. 1 RVG)

 

Rz. 144

Verschiedentlich sieht das RVG vor, dass Gebühren aufeinander anzurechnen sind, wenn der RA in derselben Sache mehrere Aufträge nacheinander erhält. So ist die außergerichtliche Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG auf die Verfahrensgebühr eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens (hälftig) anzurechnen. Die im Mahnverfahren entstehende Verfahrensgebühr ist gemäß der Anmerkung zu Nr. 3305 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Prozesses anzurechnen, ebenso ist die eventuell in einem Mahnverfahren entstehende Terminsgebühr gemäß der Anmerkung Abs. 4 zu Nr. 3104 VV RVG auf die im Prozess entstehende Terminsgebühr anzurechnen.

Im Prinzip wird die Anrechnung so vorgenommen, dass die für den ersten Auftrag verdiente Gebühr bei der Berechnung der entsprechenden Gebühr für die zweite Angelegenheit von dieser abgezogen wird. Für eine ausführliche Erläuterung der Anrechnung von Gebühren siehe § 6 Rdn 29 ff.

Sinn dieser Vorschrift ist, dass der Mandant solche Gebühren nicht doppelt bezahlen soll. Durch die Einfügung des § 15a RVG hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die Anrechnungsvorschriften auf jeden Fall dem Mandanten des RA zugutekommen und der erstattungspflichtige Gegner nur unter bestimmten Umständen die Art der Anrechnung verlangen kann. Nach § 15a Abs. 1 RVG hat der RA ein Wahlrecht, welche der aufeinander anzurechnenden Gebühren er verlangt, jedoch muss er die Anrechnung auf jeden Fall vornehmen. Insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren hat § 15a RVG große Bedeutung, wenn dem Prozess eine außergerichtliche Tätigkeit des RA vorausgegangen ist und die hierfür entstandene Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist.

Der RA hat also ein Wahlrecht, ob er die volle Geschäftsgebühr oder die volle Verfahrensgebühr verlangt – jedoch darf er gesetzlich insgesamt nicht mehr verlangen, als nach der vorgeschriebenen Anrechnung verbleibt.

2. Die Anrechnung gegenüber einem erstattungspflichtigen Dritten (§ 15a Abs. 3 RVG)

 

Rz. 145

Durch den § 15a RVG wird die Wirkung der Anrechnung sowohl im Innenverhältnis zwischen Mandant und RA als auch im Außenverhältnis gegenüber erstattungspflichtigen Dritten geregelt. Insbesondere kann sich nach § 15a Abs. 3 RVG ein Dritter grundsätzlich nicht auf die Art der Anrechnung berufen und so keine ungerechtfertigten Vorteile für sich herausschinden. In einem Kostenfestsetzungsbeschluss kann demnach eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn zuvor bereits eine Geschäftsgebühr entstanden ist. Im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den erstattungspflichtigen Gegner findet also im Regelfall keine Anrechnung einer (halben) Geschäftsgebühr statt. Dies ist ein Vorteil für den Mandanten. Gegenüber seinem Mandanten muss der RA die Anrechnung allerdings vornehmen.

Das Beispiel einer Vergütungsrechnung mit Hinweisen zur Kostenfestsetzung finden Sie in § 4 Rdn 34 ff.

 

Hinweis:

Es soll allerdings sichergestellt werden, dass ein ersatzpflichtiger Dritter nicht mehr Gebühren erstatten muss, als der Mandant unter Berücksichtigung der Anrechnungsvorschriften seinem RA schuldet. Gemäß § 15a Abs. 2 RVG kann der zur Kostenerstattung verpflichtete Schuldner deshalb nur dann verlangen, dass eine Gebühr ihm gegenüber angerechnet wird,

wenn er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren bereits erfüllt hat, also wenn er z. B. eine der beiden Gebühren bereits gezahlt hat oder
wenn wegen einer dieser Gebühren bereits ein Vollstreckungstitel gegen ihn besteht oder
wenn Erstattungsansprüche auf beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden, also wenn z. B. beide Gebühren gegen ihn eingeklagt wurden. Dies könnte dann der Fall sein, wenn im Prozess die außergerichtlich entstandene Geschäftsgebühr voll als Verzugsschaden mit eingeklagt wurde und die Verfahrensgebühr für die Vertretung im Prozess zu den festzusetzenden Verfahrenskosten gehört.
 

Merke:

Wenn der RA in derselben Sache mehrere Aufträge nacheinander erhält, sind bestimmte Gebühren aufeinander anzurechnen, damit der Mandant oder der erstattungspflichtige Gegner diese Gebühren nicht doppelt zahlen muss.

Gegenüber dem Mandanten wird in der Regel die für den ersten Auftrag verdiente Gebühr bei der Berechnung der entsprechenden Gebühr für die zweite Angelegenheit von dieser abgezogen – insbesondere wenn die erste Gebühr bereits abgerechnet und bezahlt wurde.

Die Anrechnungsvorschriften betreffen vornehmlich das Verhältnis zwischen dem Mandanten und dem RA und der erstattungspflichtige Gegner kann nur unter bestimmten Umständen die Art der Anrechnung verlangen.

Bei der Kostenfestsetzung nach einem Zivilprozess wird gegenüber dem erstattungspflichtigen Gegner grundsätzlich die volle Verfahrensgebühr festgesetzt, ohne Anrechnung einer eventuell zuvor entstandenen Geschäftsgebühr.

3. Die Anrechnung mehrerer Gebühren (§ 15a Abs. 2 RVG)

 

Rz. 146

Falls ein RA zunächst wegen verschiedener Gegenstände jeweils getrennt tätig wird und dann diese Gegenstände in einer gemeinsamen Angelegenheit weiter bearbeitet werden, dann sind die einzelnen Gebühren auf die in der gemeinsamen Angelegenheit entstehende Gebühr anzure...

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